Im Schatten der Blutrose - Vampir-Roman (German Edition)
lauern, in den ich
fallen würde. Ich konnte nichts sehen – nichts sehen … Dumpfe Stimmen kamen aus
der Ferne. „Hallo! Ist da jemand?“ , wollte ich rufen, doch kein Laut
verließ meine Lippen. Die Stimmen wurden lauter, dann wieder leiser, als würde
jemand an der Lautstärke eines Radios drehen. Ich versuchte wieder, in der
vollkommenen Schwärze zu sehen, doch vergebens. Die Stimmen wurden lauter und
klarer, ich konnte sie differenzieren: ein Mann und eine Frau. Sie
diskutierten, also konnten es nicht meine Eltern sein, die hatten sich immer
gestritten und zwar sehr heftig. Aber wer sonst sollte es sein? Wer machte sich
die Mühe, überhaupt in meiner Nähe zu sein?
Ein Lichtpunkt formte sich direkt vor mir und mir
wurde klar, dass die Stimmen von dort zu kommen schienen. Ich bewegte mich,
ging auf das Licht zu, wollte unbedingt wissen, wer da redete – und schlug
dabei meinen Instinkt, stehen zu bleiben in den Wind. Dafür musste ich
bezahlen. Schon der erste Schritt genügte. Statt festen Boden zu spüren, war da
nichts als Leere. Ich verlor das Gleichgewicht, stürzte, fiel und fiel in
bodenlose Tiefe, das Licht entfernte sich, die Stimmen wurden leiser und doch
konnte ich eines genau heraushören: Leyla …
Ich fuhr erschrocken auf. Alles in mir schien immer
noch in dieser eigentümlichen Sphäre des Albtraumes gefangen zu sein. Selbst
mein Atem, der schwer vom versuchten Schreien ging, verriet, dass mich der
Traum mitgenommen hatte. Ich stand auf und streckte mich, wobei ich ein
leichtes Zittern nicht verhindern konnte und ging dann sofort in meinen
Kleiderschrank – mein Blick war auf die Anzeige meines Weckers gefallen, die
6:45 Uhr verkündete. Ich suchte meine Sachen zusammen, zog mich im Schrank noch
um und lief dann zum Bad. Dort putzte ich mir rasch die Zähne und kämmte meine
langen, goldblonden Haare, die ich heute ausnahmsweise einmal offen tragen
wollte. Wenn ich schon mit so einem gut aussehenden Typen unterwegs war, musste
ich wenigstens ansatzweise so gut aussehen wie er. Das brauchte ich, um mich
vor mir selbst rechtfertigen zu können.
Ich betrachtete mein Spiegelbild. Ich hatte eine
schwarze Jeans angezogen, da mir das Wetter dieser Tage nicht geheuer war, und
ein langärmliges, dunkelblaues Shirt, dessen Ärmel zum Handgelenk hin immer
weiter wurden und somit einen eleganten Schlag bildeten. Bis zur Taille lag es
hauteng an, dann wurde es weit, als wäre es eine Art Minirock. Vorn auf der
Brust verflochten sich kunstvolle Ornamente ineinander, einige weiß, andere
schwarz und wieder andere silbern. Nachdem ich mir einen Hauch von blauem
Lidschatten aufgetragen hatte, fand ich, dass ich akzeptabel aussah, und trug
nur noch ein wenig Lipgloss auf, um das Bild abzurunden. Da ich mir am Abend
zuvor die Haare gewaschen und daraufhin offen gelassen hatte, wellten sie sich
und fielen in weichen Kaskaden über meine Schulter. Alles in allem sah ich so
schlecht nicht aus – nicht, dass ich das irgendwie und irgendwann bezweifelt
hätte, doch wenn man mit Ayden, Cináed und vor allem Kira mithalten wollte,
musste man schon ein wenig auffahren. Ich huschte wieder ins Schlafzimmer,
wobei ich bemerkte, dass ich geschlagene drei Minuten hatte, bis Ayden mich
abholen würde, schnappte mir meine weiße Lederhandtasche, packte mein Portemonnaie,
mein Handy und eine Packung Taschentücher ein und eilte zum Flur, wobei ich die
Hausschlüssel an mich nahm, ebenso meine Jeansjacke. Gleich darauf klopfte es.
Ich öffnete beinahe schon beseelt die Tür und wurde von Aydens grinsendem
Gesicht empfangen, der nur zu seinem Mercedes nickte. Ich schloss schnell die
Tür hinter mir ab und setzte mich auf den Beifahrersitz, wobei ich darauf
achtete, nicht auf die Geschwindigkeitsanzeige zu schauen.
Den Großteil der Fahrt verbrachten wir schweigend, was
daran lag, dass ich mich weigerte, ihn vom Fahren abzulenken, wenn er schon wie
ein Henker fuhr. Ich hatte nichts gegen hohe Geschwindigkeiten, aber dazu
musste es schon ein wirklich sehr gut ausgebauter High Way sein … Wir schafften
es tatsächlich rechtzeitig zum Nelson Airport, was mich ein wenig schaudern
ließ bei dem Gedanken, dass Kenneth seiner Zeit genauso schnell gefahren sein
musste, während ich nichts ahnend geschlafen hatte.
Wenig später saßen wir im Flugzeug. Meiner Ausrede des
Schweigens auf brutale Art und Weise beraubt, musste ich auf seine Art der
Konversation eingehen: Mir Fragen stellen und eine Antwort in jeglicher Art
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