Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
eine Heimlichtuerei wegen ein paar Steinen?«
Als Fuhrwerk und Reiter schon längst verschwunden waren, wartete Nikolaus vorsichtshalber noch einen Augenblick, bevor er sich wieder aus seinem Versteck hervortraute. Aufmerksam suchte er die Straße ab, ob noch irgendwelche Überreste der Ladung zu finden waren. Er hob einige Steine auf und betrachtete sie im Mondlicht. Die meisten waren die für diese Gegend üblichen grauen Schottersteine. Doch dann fand er auch einen, der völlig anders aussah: dunkel, vielleicht braun. Bei Licht könnte man das besser erkennen. Seine Kanten waren scharf, als wäre er frisch aus dem Felsen geschlagen. Die übrigen Steine waren durch jahrelange Benutzung abgeschliffen.
Nikolaus steckte sein Fundstück ein. Unschlüssig stand er auf der Straße. Sollte er wieder zum Gasthof zurückgehen und endlich schlafen? Oder sollte er weiter ins Tal hinunterwandern, um sicher zu sein, dass nichts passiert war?
Dieser nächtliche Ausflug war schon aufregend genug gewesen. Außerdem wollte er sich nicht von irgendwelchen Befürchtungen verrückt machen lassen. Solch ein irrsinniger Traum sollte ihn nicht länger um den wohlverdienten Schlaf bringen. Also schlich er vorsichtig wieder zurück. Kaum lag er im Bett, war er auch schon eingeschlummert. Diesmal schreckte ihn zum Glück kein Albtraum hoch.
Gedanken
Nikolaus stand auf und reckte sich. Langsam wurde sein Kopf klarer, die Kopfschmerzen ließen nach. Er griff in seine Westentasche und holte den Stein hervor, den er auf seinem nächtlichen Erkundungsgang gefunden hatte. Er drehte das braune Felsstückchen in der Hand hin und her und rieb über die Seitenflächen. Die schmutzige Färbung stammte nicht von anhaftendem Dreck, der Stein war einfach so dunkel. Und er war offensichtlich frisch aus einem größeren Felsen gehauen, man sah an einer Seite noch die Riefen, wo ein Meißel ins Gestein getrieben worden war.
»Was macht dich so außergewöhnlich?«, fragte Nikolaus. Aber der Stein wollte sein Geheimnis nicht preisgeben. »Warum schafft man dich und deine Brüder heimlich durch die Gegend? Und wer hat euch entführt?«
Stattdessen drängte sich schon wieder Christina in seinen Sinn. Ihre Schönheit und ihr Wissensdurst hatten ihn tief beeindruckt. Sie war eine wunderschöne Rose hier im Schatten der beiden Burgen. Doch irgendwie schien sie in ihrer Art fehl am Platze.
Ob sie etwas für ihn wäre? Sein Vater war schon ärgerlich gewesen, als er sich entschieden hatte zu studieren und nicht ins elterliche Geschäft gewechselt war. Gäbe Nikolaus seine geistliche Laufbahn auf, hätte sein Vater ihm bestimmt eine Händlerstochter ausgesucht, damit das Haus Krebs mit einer anderen reichen Familie verbündet wäre. Sollte Nikolaus heiraten, würde dies das Aus für seine Studien bedeuten, denn dann müsste er zwangsläufig Geld verdienen – entweder bei seinem Vater oder einem anderen Händler. Noch einmal konnte und wollte er sich gegenüber seinem Vater nicht durchsetzen müssen. Und dann wäre er genau dort angekommen, wo er seit seiner Jugend nie sein wollte. Nikolaus verlangte es danach, zu forschen, zu untersuchen, Neues kennenzulernen und nicht danach, in einem Kontor über ellenlangen, langweiligen Listen mit irgendwelchen Abrechnungen zu versauern. Als Bürgerlicher konnte er dies nur über ein geistliches Amt erreichen. Einem Adeligen, wie es sein Freund Giuliano Cesarini 9 aus Padua war, standen natürlich ganz andere Möglichkeiten offen, der könnte es sogar bis zum Papst schaffen. Nikolaus fühlte sich jedoch klug und ehrgeizig genug, um seinen eigenen Weg zu machen, um weiter zu kommen als jeder andere, der in einfachen Verhältnissen geboren worden war.
Für den jungen Mann von der Mosel war das Priesteramt nur ein Mittel zum Zweck – darum hatte er die Aufforderungen, endlich die höheren Weihen zu empfangen, immer wieder hinausgeschoben. Man sollte wohl eher sagen: geflissentlich ignoriert. Sein Herz hing viel zu sehr an den Studien und am Entdecken und Untersuchen alter Schriften. War seine Einstellung unehrlich? Hätte er sich überreden lassen, wäre es mit seinem Leben an Universitäten vorbei gewesen. Bestimmt war Nikolaus als Doktor der Juristik für den Kurfürsten im Moment nützlicher als ein Geistlicher.
Nikolaus verscheuchte diese quälenden Überlegungen. Bedächtig steckte er das kleine Felsstück, das er die ganze Zeit in der Hand hin und her gedreht hatte, wieder in die Tasche seiner Weste.
Am zweiten
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