Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
weggenommen worden war.
»Wie soll´n die jetzt ihre Spanndienste erfüllen? Kann mir das einer mal sagen?« In der Stimme des Mannes schwang Wut mit.
Sein Tischnachbar stimmte zu: »Die können einem ganz schön leidtun. Die haben nur Pech in letzter Zeit. Erst stirbt der Vater, dann das. Können da die Verwandten nix machen?«
Alle in der Runde schauten sich fragend an.
»Denen geht´s doch allen nich´ so gut«, sagte schließlich einer. »Egal ob sie drüben bei den Luxemburgern wohnen oder hier.«
Nun meldete sich auch der Wirt zu Wort: »Der Bruder der Schlössers Witwe, der von nebenan, hatte die Tage bei mir angefragt, ob ich nicht helfen könnte. Die älteste Tochter kommt nun täglich bei uns vorbei und hilft meiner Frau in der Küche, beim Saubermachen der Stube hier, der Kammern und all so´n Kram. So bekommen sie wenigstens etwas Geld zusammen, um sich ein Pferd leihen zu können.«
Die Gäste nickten anerkennend. »Das ist anständig von dir.«
Nikolaus kämpfte gegen seine Müdigkeit. Der Tag war anstrengend genug gewesen. Aber gerade als er sich erheben wollte, drang schon wieder der Name Wilhelm an sein Ohr.
»… und das soll der Wilhelm von der Burg gewesen sein?«
»Klar, mein Schwager wohnt doch genau neben der Familie in Eckfeld«, bestätigte ein anderer. »Wilhelm hat die Kleine solange umgarnt, bis sie schwanger geworden ist.«
»Aber sie war doch schon versprochen!«
»Genau!«, bestätigte ein anderer. »Damit der gehörnte Bräutigam seinen Mund hält und sie dennoch nimmt, bekam er Besuch von Wilhelm und seinen Freunden. Die haben ihn so lange bearbeitet, bis der arme Junge schließlich nachgab.«
»Hab´ ich auch schon gehört. Dem fehlen nun einige Zähne«, brummte einer der Männer grimmig.
»Jaja. Wer weiß schon, wie viele Bälger der Wilhelm bereits hat.«
»Ich frag mich eher, warum sein Vater nichts dagegen unternimmt?«
»Der Dietrich ist zu alt und zu nachsichtig.«
»Oh weh!«, erklang es mehrfach. »Nachsichtig? Höchstens bei seinem Sohn, aber nicht in Bezug auf seine Untertanen.«
In der Runde erklang allgemeine Zustimmung.
Also war Christina nicht das einzige Mädchen, dem der Taugenichts Gewalt angetan hatte. Warum konnte man diesen Kerl nicht aufhalten? Wie viele Menschen würde er noch ins Unglück stürzen wollen? Nikolaus schüttelte ratlos den Kopf. Wie sollte gerade er helfen können, er als Fremder? Und das auch noch gegen einen der mächtigsten Männer in der Umgebung?
Er war eindeutig zu müde, um noch einen vernünftigen Gedanken denken zu können. Nikolaus winkte dem Wirt kurz zu und begab sich dann nach oben. Kaum hatte er sich auf dem Bett ausgestreckt, da war er auch schon eingeschlafen.
Ein nächtlicher Ausflug
Was war das? Irgendetwas hatte Nikolaus aus dem Schlaf aufschrecken lassen. Er hatte einen Schrei gehört. War der von draußen gekommen oder hatte er ihn sich nur im Traum eingebildet?
Ächzend setzte er sich auf die Bettkante und rieb sich die Schläfen. Er hatte geträumt. Oh, ja! Es war ein sehr realistischer und erschreckender Traum gewesen, wahrhaft ein Albtraum. Wie am Nachmittag war er wieder im Wald gewesen. Wieder hatte er etwas gehört. Aber diesmal hatte er nicht das Ergebnis des Kampfes gesehen, den bewusstlosen Wilhelm, sondern hatte beobachtet, wie Wilhelm über Christina hergefallen war. Immer wieder hatte er sie geschlagen, gewürgt und versucht, ihr das Kleid herunterzureißen. Christina hatte verzweifelt um Hilfe gerufen. Aber Nikolaus hatte es nicht geschafft, näher zu kommen. Er hatte sich durch dornige Büsche gekämpft, in denen sich seine Kleidung immer wieder verfangen hatte, war über riesige, rutschige Baumstämme geklettert, aber war keinen einzigen Schritt vorangekommen. Christina hatte sich die Seele aus dem Leib geschrien, um Hilfe gefleht. Nikolaus war panisch geworden, hatte weitergekämpft, selbst nach Hilfe gerufen. Alle Bemühungen waren umsonst gewesen, er hatte weder Christina erreichen noch hatte ein einziger Laut seine zugeschnürte Kehle verlassen können. Dann war er aufgewacht.
Nikolaus stand auf und ging zum Fenster. Er hoffte, dass die frische Nachtluft seinem Kopf ein wenig Erleichterung verschaffen würde. Er hatte noch nicht lange geschlafen, es war noch nicht Mitternacht. Aber in Manderscheid war nichts zu hören, alles schlief in tiefster Ruh.
Plötzlich erklang von der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes Hufgetrappel. Und schon preschten zwei Reiter heran und
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