Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
nahezu friedvoll zusammen.
König Rondrick hatte nicht vor, seinen Kontinent in Blut und Asche versinken zu sehen, wie es in den Königreichen des Nordens geschehen war, als Barbarenkönig Ivor gegen den Erzherzog von Trüdje zog und sich beide Heere derart aufrieben, dass die wenigen Überlebenden den Untergang ihrer Reiche gemeinsam begossen, um schließlich als Graue Bande die Nordlande unsicher zu machen. Als weiteres Beispiel einer untergegangenen Kultur betrachtete Rondrick das neunhundert Seemeilen entfernte, westlich liegende Fardas, welches sich nun Tote Wüste nannte. Entsprechend gewarnt stellte er sich vehement gegen seine Minister, die ihm Geschichten von Eroberung, Annektierung und Sieg einflüsterten. Es wäre ganz einfach, flüsterten sie. Man müsse es nur tun ...
Schließlich gab es drei Tagesritte entfernt das Elfental Solituúde oder weiter östlich die Heimat der Bergriesen. Im Süden lag, versteckt zwischen Grün und Fels Amazonien, außerdem warteten unzählige Inseln darauf, von den Soldaten Dandorias erobert zu werden. Man sagte, im Nordland mache sich ein Mann namens Korgath auf, ein neues Reich zu gründen, er plane, neuer Erzkönig zu werden. Gesehen hatte von seinen Hofschranzen diesen Korgath niemand. Schließlich gab es Gerüchte über einen Dunkelelf namens Murgon. Dieser plane die Übernahme von Dandoria, um von hier aus Mythenland zu regieren. Überall machte sich jemand auf, um Dandoria zu schaden.
Gerüchte?
Wollte man ihn, den König, manipulieren?
In stillen Stunden fragte sich der Rondrick, ob Politiker erst dann ihren Rang als erfüllt betrachteten, wenn sie siegten oder unterlagen. Wirtschaftliche Interessen, die Kriege so interessant machen konnten, schob er beiseite. Dandoria ging es gut und die Schatzkammer würde bald einen Zwergenhüter benötigen.
Kurzum: König Rondrick glaubte an den Frieden!
Sein Vergnügen bestand darin, anonym auf den Märkten einzukaufen oder unerkannt an den Feierlichkeiten des Volkes teilzunehmen. Dann wickelte er sich in eine Kutte und verließ unerkannt die Burg. Er ging in die Stadt hinunter und schlenderte durch die Straßen. Diese Handlungsweise brachte seine Minister und Leibwächter zur Weißglut und bald stellte sich König Rondrick eine weitere Frage:
Wann werden sie mich beseitigen?
Nun, noch war es nicht so weit und er hatte nicht vor, dass es dazu kam. Er würde vorsichtig sein, die Augen und Ohren aufsperren und sehr genau hinschauen, was geschah – auch wenn es ihm schwer fiel. Herrschen war eine anstrengende Tätigkeit. Warum, bei den Göttern, sehnte sich jedermann danach? Stets ging es um das eigene Leben, was sehr viele Könige vor ihm und in anderen Regionen von Mythenland nicht sahen oder sehen wollten. Die Lust, Untertanen zu lenken, manipulieren oder drangsalieren führte dazu, dass sie ihren klaren Menschenverstand verloren. Es war stets nur die Befriedigung des Augenblicks und das schlimmste war – man gewöhnte sich daran!
Anfangs mochte es Freude bereiten, wenn einem Honnagblätter vor die Füße geworfen wurden. Wenn jedermann dienerte und einem nach dem Maul redete. Wenn alle lachten, weil der König lachte, obwohl niemandem danach zumute war. Wenn es keine eigenen Meinungen zu geben schien, obwohl jeder halbwegs vernünftige Mensch spürte, dass sich hinter der Stirn des Anderen Lügengebilde auftürmten, für die der Lügner sich selbst hasste, was wiederum dazu führte, seinen Herrscher zu hassen.
Rondrick hatte schnell erkannt, dass Untertanen, Minister oder Hofschranzen sich selbst schadeten, weil sie mit ihrer Meinung hinterm Berg hielten. Sie meinten, das müsse so sein, was ihnen im geringsten Fall schlechte Gefühle verpasste und im schlechtesten Fall zu Hass führte.
Warum gab niemand seine Gefühle preis?
So, wie sie waren?
Ehrlich und wahrhaftig?
Weil sie sich fürchteten. Und Rondrick vermutete, dass sie ihren ärgsten Feind in sich selbst sahen. Dass sie sich am meisten vor sich selbst fürchteten. Vielleicht, damit sie ihr fadenscheiniges Selbstbewusstsein festhalten konnten, oder um sich nicht im Spiegel betrachten zu müssen. Niemand wollte vor sich selbst klein sein, jeder war darauf versessen, seine Rolle zu spielen, seine schwache innere Größe zu erhalten. Eine Rolle, die niemanden zu sich selbst führte, sondern stets zu dem, was er verabscheute.
Lust nach Krieg!
Denn dies war das Ergebnis von Hass und Zorn!
Irgendwann fragte niemand mehr, woher dieser Zorn kam.
Wichtiger
Weitere Kostenlose Bücher