Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
war, diesem Gefühl Erleichterung zu verschaffen.
Der Tag ging zur Neige und über den Bergen der Felsriesen, weit im Norden von Dandoria, versank die Sonne. König Rondrick stand, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, zwischen den Zinnen seiner Burg, und blickte über die Weite seines Landes. Ein grünes Gebiet, fruchtbare Boden, reich an Vieh und wilden Tieren. Fleißige Menschen, Halblinge und Trolle, führten brav ihre Steuern ab und sorgten für allgemeinen Wohlstand. Sein Blick strich über die Baumkronen und verharrte am Hafen. Er sah den schwankenden Wald von Masten der Schiffe, die dort vertäut lagen. Fischer holten die Segel ein, mehrere Segelschiffe legten soeben an, zurückgekehrt von einer der unzähligen Inseln im Mittmeer, wo sie Handel trieben.
Es wurde Zeit, bald wieder ein Schiff nach Fuure zu schicken. Der Vorrat an Wareikenholz ging zur Neige. Rondrick beschlich ein leises schlechtes Gewissen, denn er wusste, dass man die Barbs, welche die Bäume pflückten, wie sie es nannten, sehr schlecht bezahlte. Andererseits garantierte man dem kleinen stämmigen Volk dadurch Autonomie. Nichts auf der Welt war umsonst. Dieser Gesichtspunkt beruhigte ihn.
Weiter südlich blickte er in die schmalen Gassen der Stadt, die genauso hieß wie der Kontinent, Dandoria. Voll beladene Karren, von Maultieren gezogen, verstopften die mit Kopfstein gepflasterten Strassen. Zwei Reiter der Burggarde patrouillierten und nickten freundlich nach allen Seiten.
Der Fischhändler baute seinen Stand zusammen, der Obsthändler tat es ihm nach. Männer, Frauen, Halblinge, Trolle und Halbelfen kauften schnell ein, feilschten und sprangen vor den Karren zur Seite. Lampenputzer eilten mit ihren Klappleitern herbei und zündeten die Öllampen an. Halbwüchsige waren unterwegs, um den Pferdedung aufzuschaufeln, mit dem die Öfen der Armen befeuert wurden. Dandoria glühte vor Leben, genauso wie der rote Ball, der hinter dem Horizont im Meer versank.
Ein kühler Wind kam auf. Zwar wärmte die Sonne tagsüber, war sie jedoch ins Meer gefallen, herrschte der Herbst. Bald würden erste Regenfälle, Stürme und Gewitter kommen.
Lady Grisolde trat zu ihm, eine wunderschöne Frau, die er liebte. Er musterte sie von unten nach oben. Die schwarzhaarige Frau mit dem schmalen zarten Gesicht, das ihr fast die Anmutung einer Elfe verlieh, lächelte mit blitzenden Zähnen. »Wann kommst du zum Mahl?«
Obwohl üblich, hatte er sich gegen die Anrede in der dritten Person ausgesprochen, denn er bevorzugte das persönliche du . Er erinnerte sich, wie verlegen Grisolde vor vier Jahren gewesen war, als er es ihr anbot und es hatte fast eine ganze Woche gedauert, bis sie ihn nicht mehr mit mein König ansprach. Seitdem war das Vergnügen im Bett größer geworden, allerdings nicht ihr Bauch.
Rondrick wünschte sich einen Sohn. Leider erfüllte Grisolde ihm diesen Wunsch nicht – doch was nicht war, konnte noch geschehen. Vielleicht heute Nacht?
»Ich bin nicht hungrig«, sagte er müde.
»Du bist wieder traurig, mein Gemahl.«
»Bin ich das?«
»Du weißt, dass ich es früher bemerke als du selbst.«
»Dann ist es so, schöne Grisolde«, nickte er. »Am liebsten würde ich alleine mit dir, hier in meinen Gemächern speisen. Dieses Spektakel unten im Saal geht mir auf die Nerven. Alle warten auf meinen ersten Bissen, jeder senkt die Augen, und erst, nachdem der Wein reichlich geflossen ist, zeigen sie ihr wahres Gesicht. Außerdem ist heute der Tag des Königspieles. Ich hasse diesen Unsinn!«
»Du bist der König, vergesse das nie«, stellte sie sachlich fest und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Käme jemand, der mir die Arbeit abnähme, ich würde sie ihm lassen.«
»Und in Armut leben?«
Er lachte hart. „Wir besitzen hinreichend Gold, um bis zum Lebensende in Saus und Braus zu leben.“
»Was du jedoch nicht willst, Liebster.«
»So ist es. Ein kleiner Weinberg, zuweilen eine Reise zu den Stätten des Altertums, einen Barden, der mich erheitert und die Liebe zu dir ... Das würde genügen.«
Sie zog ihre feingeschwungenen Brauen zusammen. Funkelte in ihren Augen Missmut? Rondrick war kein guter Beobachter, doch diesmal meinte er etwas zu spürten, was wie ein Hauch von Unzufriedenheit wirkte. Hielt sie ihn für einen Versager?
Er traute sich nicht, sie danach zu fragen, denn er fürchtete die Antwort. Er seufzte und ging hinein zu einer Kommode, setzte sich den schweren und ungemütlichen Königsreif auf den Kopf und
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