Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Optionen.
Lange würde sie den Golem nicht mehr halten können.
Ließ sie zu, dass er über die Reling kletterte, würde sie ihn schwer verletzen können, ob das genügte, um die Kreatur aufzuhalten, war unklar.
Und es gab eine zweite Möglichkeit.
Dafür hatte sie nur ganz wenig Zeit.
Sie würde die Leiter mit dem linken Arm halten. Wie lange würde sie das ertragen, bis ihre Finger aus den Kapseln rissen? Zwanzig, dreißig Atemzüge?
Sie zog die Finger ihrer rechten Hand zurück. Sie schrie vor Schmerzen auf, als sie die blauen Gelenke am Holz der Reling geradebog. Sie packte das Messer und fing an zu säbeln. Durch ihre linke Schulter kreischte ein Schmerz, der stärker war, als alles, was sie vom Sanften Jack erfahren hatte. Unbeirrt sägte sie weiter mit dem Messer in das Tau. Das Messer hätte auch eine Daune im Flug zerschnitten und Bluma dankte jenem Koch, der seine Arbeitsutensilien so gut gepflegt hatte. Wie durch Butter schnitt sie und das erste Tau war gekappt.
Der Golem, der sah, was sie tat, sprang auf die zweite Stufe der Strickleiter. Weitere zwei und er war oben bei ihr.
Sie schnitt an der anderen Halterung. Hin und her. Doch die Kraft hatte ihre Finger verlassen. Ihr Griff war weich und die Gelenke verkrampften sich wie Fremdkörper.
Sie ahnte, dass sie die Leiter nur noch wenige Wimpernschläge halten konnte. Aufheulend krallte sie ihre sich wehrenden Finger um den Messergriff, schnitt, riss und zerrte.
Unversehens war sie durch das Tau, die Leiter fiel und der Golem stürzte auf den Rücken, während die Leiter auf ihn fiel. Er brüllte wütend und starrte zu ihr hoch. Mit animalischem Groll wischte er die Leiter weg, in die sich zwei seiner Arme verhedderten.
Es war geschafft.
Es gab keine Strickleiter mehr.
Für eine Weile waren sie vor dem Golem sicher.
Bluma sackte auf die Knie und beugte sich vornüber. Sie erbrach sich und weinte dabei bittere Tränen.
Gwenael fuhr hoch.
Gedankenverloren war sie durch die Gänge der Festung gestreift, als das Bild sich vor ihren Augen formte.
Bluma und der Dämonenmann, der ihr bis heute seinen Namen nicht genannt hatte!
Eigentlich wollte sie die Zeit der Stille im Licht der flackernden Fackeln nutzen, um nachzudenken, was sie für Katraana und Solituúde tun konnte. Vor kurzer Zeit hatte Katraana sie mittels einer Mentalwanderung zu sich in das Elfental geholt. 2 Dort hatte sie ihr etwas Grausiges gezeigt. Pflanzen verdorrten, harmlose Hauskatzen mutierten zu üblen Räubern, der Tempel der Einkehr war von schleimigem Getier okkupiert, die Gewässer erstickten in Algen und die Lebewesen des Wassers starben. Ganz zu schweigen von den Fehden, die sich Elfen lieferten, bis hin zur offenen Gewalt.
Das Volk der Elfen drohte sich selbst zu zerstören!
Katraana war sicher, dass es sich um Feiniels Rache handelte, Feiniel, der nun Dunkelelf Murgon, der Lord von Unterwelt, war. Die Elfe hatte angedroht, den Weg nach Unterwelt zu finden, und die Zerstörung des Elfentals zu stoppen. Sie war eine mächtige Kämpferin und Magierin. Diese Kombination ließ viele Möglichkeiten offen.
Gwenael, die nicht daran zweifelte, dass Katraana ihre Drohung wahrmachen würde, hatte versucht, sie von diesem Plan abzuhalten. Das durfte nie geschehen, denn Katraana umgab ein Geheimnis, das sie niemals erfahren durfte. Bevor Gwenael sich erklären konnte, war sie aus der mentalen Verschmelzung geschleudert worden. Dies hatte sie einen Gutteil ihrer Kräfte gekostet. Seitdem regenerierte sie.
Offensichtlich schienen sich ihre Fähigkeiten zu erneuern, denn endlich gelang ihr, was sie seit Tagen versuchte. Sie fand Kontakt zu den Flüchtenden. Zum schönen Dämonenmann, dem sie sich angeboten und der sie abgewiesen hatte und zu Bluma, der intelligenten Barb, die Murgon helfen sollte, das Rätsel des Artefakts zu lösen.
Sie hatte geschworen, sich an diesem überheblichen Mann zu rächen – heute erschien ihr das eitel und kindisch. Er würde niemals aus Unterwelt entkommen und ihre, Gwenaels, Zeit würde kommen. Sie und der Dämonenmann – das war eine Paarung, die unschlagbar sein konnte.
Die Bilder waren klar und erschreckend.
Sie sah eine weitere Gestalt. Es handelte sich um Murgons Golem. Gwenael hielt dieses Wesen für die Ausgeburt eines kranken Geistes und war versucht, ihrem Bruder dies zu sagen. Mit Grauen erinnerte sie sich an die Sache mit Jack. Was Murgon getan hatte, war barbarisch gewesen und hatte gezeigt, dass der einst so feinsinnige
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