Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Elf zu einer Bestie geworden war.
Sie sprach ihn nicht darauf an, denn sie fürchtete sich vor ihm und hatte bisher auch die Begegnung mit Katraana verschwiegen. Sie spürte, dass ihr Einfluss auf Murgon schwächer wurde. Das war schnell gegangen und stand zwischen ihr und ihren Plänen.
Noch etwas spürte sie mehr, als sie es sah. Ein großes schwarzes Etwas. Ein Haus? Ein Fels? Nein, es hatte eindeutig die Anmutung eines ...
Eines ...
Es war ein Schiff!
Sie lehnte sich gegen eine Wand. Die Fackel zu ihrer Linken knisterte. Ein Schiff? Wie um alles in Mythenland kam ein Schiff in die Höhlen von Unterwelt? Warum wusste sie nichts davon? Weil auch Murgon es nicht wusste? Sie versuchte, den Ort zu lokalisieren, was ihr nicht gelang. Unterwelt war groß, sehr groß. Unvorstellbare Höhlen, einige davon beherbergten Seen, unendlich verschlungene Gänge und mehrere Ebenen machten Unterwelt unüberschaubar. Zwar gab es im Gegensatz zur Welt der Lebenden Grenzen, denn Unterwelt war keine Kugel, doch diese hatte bisher niemand vermessen, jedenfalls niemand, von dem Gwenael wusste.
Gwenael beschloss, sich weiterhin auf die Präsenz der Drei zu konzentrieren. Und auf das Schiff, woher es auch kam.
Die Barb hatte Angst, unglaubliche Angst. Sie hatte für eine Weile den Golem besiegt und Gwenael war versucht, ihr still zu applaudieren.
Sie besann sich.
Der Dämon war kaum zu lesen. Er bewegte sich nicht, sein Geist war auf etwas konzentriert, dass sie nicht erkannte. Schlief er? Befand er sich in Meditation? Es schien fast so, denn seine Gedanken waren rein und weiß wie Schnee.
Das Schiff! Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf es. Sein Name war Lotus. Ein schöner Name, unpassend für die Aura, die das Schiff umgab. Ein Name wie ein angenehmer Wein, der mild auf der Zunge liegt oder ein Duft, der die Sinne erfreut.
Schwarze zerfetzte Segel, ein alter hölzerner Rumpf und... und eine Schwingung, die ihr fortwährend entglitt. Wie eine Tür, die sich öffnete oder schloss.
Und hinter dem Bild wartete eine Antwort.
Ein Licht.
Eine Tür.
Ein Ausgang!
Das gequälte Holz, der schreiende Stahl, Teer und andere Verbindungen sowie Taue und Leinen bewegten sich, als befände Bluma sich in einem Traum, aus dem es kein Erwachen gab.
»Es geschieht«, murmelte Darius. Obwohl er tonlos und leise sprach, drangen seine Worte in Blumas Ohren wie ein Schrei.
Der Golem gab nicht auf. Seine Wut war unerschütterlich, wie eine Kanonenkugel flog, die nicht anzuhalten war. Das grausige Wesen würde niemals aufhören, sie zu jagen, erkannte Bluma. Dies und nichts anderes war ihr Lebenszweck. Wie konnte man dieser Hartnäckigkeit dauerhaft standhalten?
Nun blähten sich die Segel, als sei das Schiff auf dem Meer. Nach wie vor, ohne dass sich auch nur ein Haar von Bluma bewegte. Darius erwachte aus seiner Starre und rannte zum Bug. Er lehnte sich weit vorüber und rief: »Wir schwimmen!«
Nein, wollte Bluma antworten, wir sind auf einem maroden Segelschiff, das in einer Höhle auf dem Trockenen liegt. Doch sie ahnte, dass sich dadurch nichts ändern würde.
Wir sind wahnsinnig geworden, vielleicht nun doch ein Teil von Unterwelt!
»Roaaaark!«, brüllte der Golem.
Segel knatterten.
Taue summten.
Die Takelage ächzte.
Holz splitterte und alles um sie herum verschwamm, wehte ineinander, verschachtelte sich in einen Wirrwarr von Bildern, bei denen es weder ein Oben noch ein Unten gab. Orientierungslos starrte sie in eine tiefblaue Öffnung, die waberte wie der Rachen eines Oktopus.
Blumas Kräfte schwanden. Ihr Verstand schaltete sich einfach aus, was dazuführte, dass sie genauso trüb und starr dem Geschehen folgte, wie damals, als sie bei ihrer ersten Schlachtung dabei war. Der Crocker hatte verzweifelt gebrüllt und Bluma hatte gelitten.
Was geschah, berührte sie nicht mehr, ließ sie regelrecht kalt. Sie schloss die Augen und nahm hin. Würde sie jetzt sterben, geschah es ohne Angst. Alles in ihr glich einem leeren Gefäß. Es war nicht zu ändern und es war rational nicht zu greifen. Bluma, die stets viel Wert auf Antworten gelegt hatte, die kein größeres Vergnügen fand, als Dinge zu hinterfragen, war am Ende. Hier gab es nichts zu fragen, denn sie würde die Antworten nie erhalten.
Der blaue Schlund öffnete und schloss sich, sie sauste darauf zu, über ihr knatterten die Segel, jetzt war Wind in ihrem Haar, eine frische Brise, die sie begierig einsog. Keine Fratzen, keine schleimigen Warnungen,
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