Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

kniff vor der Helligkeit die Augen zusammen. Sie traf ihn wie ein Blitzstrahl. »Das gibt‘s doch nicht«, murmelte er.
    Vor ihnen erstreckte sich eine weiße Wüste. Die Sonne strahlte grell und wurde vom Eis zurückgeschleudert wie ein Dolch, der direkt ins Gehirn schießt. Connor legte die Hand auf die Augen und öffnete die Finger einen Spaltbreit. Lysas Gefährtinnen kamen zu ihnen. Frethmar schüttelte unverwandt den Kopf.
    »Eis!«, stieß Connor hervor. »Alles voller Eis.« Er stürzte zur Reling und sah hinab. »Das Schiff steckt im Eis fest.«
    Lysa zog die Augenbrauen zusammen. »Wir müssen weit über den Nordfesten sein. Im unbekannten Nordland.«
    Connor schüttelte den Kopf. Auf seiner Haut spross eine Gänsehaut und alle fingen an zu bibbern.
    Eine der Amazonen sagte: »Es geschah im selben Moment, als es hell wurde. Das Meer veränderte sich, aus Wasser wurde Eis und aus Wärme wurde Kälte.« Sie stapfte auf der Stelle, um sich zu wärmen.
    Connor sagte: »Ich verwette meinen möglicherweise barbarischen Hintern, dass wir nicht in Mythenland sind!«
    Lysa knurrte. »Was, verdammt noch mal, macht dich da so sicher? Das sagst du schon eine ganze Weile.«
    Connor verzog sein Gesicht und hob die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
    Lysa wirkte zornig. »Nie weiß er etwas. Vieles was er sagt und tut, macht Sinn, dennoch weiß er nichts. Das geht über meinen Verstand.« Sie klopfte sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    Bob beugte sich vor. »Er hat seine Erinnerungen verloren.«
    Lysa fuhr herum. »Ist ja ganz was Neues. Und ich verliere mein Volk. Wir alle haben etwas verloren. Aber er, er weiß immer alles besser!«
    Bob erkannte, dass Lysa am Ende ihrer Kräfte war. Vieles war ihnen auf ihrer Reise widerfahren und die tapfere Amazone hatte zu wenig geschlafen. Sie trug Verantwortung, der sie möglicherweise nicht dementsprechend gewachsen war wie erhofft. Schließlich hatte sie die Seefahrt von Piraten erlernt und das in nur zweieinhalb Wochen. Sie war kein routinierter Kapitän. Letzten Endes war sie eine Amazone, die ihren Liebsten verloren hatte und nach einem Elixier suchte, dass ihr Volk, oder genauer, die Männer ihres Volkes, rettete.
    Connor trat ein paar Schritte vor, als wolle er sie umarmen.
    »Fass mich nicht an!«, giftete Lysa.
    Connor prallte zurück und Bob verdrehte die Augen. Bama in seinem Arm schüttelte den Kopf. »Kinder«, flüsterte sie.
    Lysa straffte sich. »Wo immer wir auch sind, ich werde es herausfinden. Ich habe Navigieren gelernt. Ich kenne alle nautischen Regeln. Ich kann das.«
    »Ja«, sagte Connor mit rauer Stimme. «Du kannst das. Doch zuerst schläfst du eine Weile. Ist das in Ordnung?«
    Ihr Kinn ruckte hoch. »Du willst mich ins Bett schicken?«
    Bama sagte mit sanfter Stimme: »Wir alle müssen schlafen. Wir stecken hier fest. Was soll also geschehen? Wir sollten uns Ruhe gönnen. Die haben wir uns verdient.«
    Lysa starrte die kleine Barb an und schwieg. Ein Lächeln sprang auf ihr Gesicht. Sie hob ihren Arm und strich Bama mit dem Handrücken über die Wange. Ihre Augen glitzerten feucht.
    Dann machte sie kehrt und schnauzte einen Befehl. Die Mannschaft stob auseinander wie erschrockene Hühner.
    »Wenn ihr wollt, folgt mir in meine Kajüte!«
    Lysa warf die Seekarte auf den Tisch und begann, dass Terrain zu vermessen. Mittels Kompass, Lineal und Kursdreieck versuchte sie, ihren Standort zu berechnen. Sie schüttelte den Kopf, dann sah sie zu Connor auf. Sie bleckte die Zähne und sagte mit harter Stimme: »Könnte es sein, dass unser Barbar Recht hat?«
    Connor senkte den Blick.
    Er liebt sie, dachte Bob. Und sie weiß das!
    »Ich kann uns nicht berechnen. Es könnte sein, dass wir uns in einem Gebiet befinden, das nicht kartografisiert ist.« Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte sich. »Es wird kalt.«
    »Wie lange waren wir nach dem Sturm unterwegs, bis wir dem schwarzen Schiff begegneten?«, fragte Frethmar. Er wartete nicht auf die Antwort. »Ungefähr vierundzwanzig Stunden, oder wie ihr Barbs zu sagen pflegt - eine Nacht.«
    »Glaubst du, das habe ich nicht bedacht?« Lysa blitzte den Zwerg an. »Wenn wir zugrunde legen, dass wir nach dem Sturm mit höchstens zehn Knoten gesegelt sind, macht das in dieser Zeit ungefähr einhundertdreißig Seemeilen. Wenn ich weiterhin berechne«, sie setzte den Zirkel an und blickte auf. »dass wir unseren Nordostkurs gehalten haben, müssten wir in zwei Tagen Dandoria erreichen. Das Klima sollte