Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
sie.
»Und?«
»Er schweigt.«
Murgon grinste hart. »Der Sanfte Jack hat bisher stets sein Ziel erreicht. Manchmal dauert es länger, dann wieder geht es ganz schnell.«
»Der Manndämon könnte dir helfen.«
Murgon legte den Kopf schräg. »Was meinst du damit?«
Gwenael zerschlug ein Wasserglas auf dem Tisch. Sie fegte mit den Händen die Splitter zusammen. Sie sah zu Murgon hoch. »Wenn es dir gelingt, ihn dir untertan zu machen, bist du nicht mehr ausschließlich auf Sharkan, der Vierköpfigen angewiesen. Einer wie dieser Manndämon wäre ein wunderbarer Anführer deiner Truppe. Er wird Mythenland in Angst und Schrecken versetzen.«
»Da ist was dran, Schwesterherz.«
»Doch zuerst musst du deine Kräfte zurückgewinnen. Deine zwar mächtigen, aber dennoch elfischen Kräfte genügen nicht, um Unterwelt im Griff zu behalten.«
»Er hat sie mir genommen«, schnaufte der Dunkelelf. »Wie konnte das passieren? Und wo sind diese Kräfte jetzt? Er selbst kann sie nicht besitzen, dann würde er sich nicht foltern lassen.«
»Eben das wollen wir von ihm wissen, Murgon. Parallel dazu müssen wir dafür Sorge tragen, deine Macht zurückzuholen.«
»Ich gehe in die Grauen Bibliothek. Dort werde ich Antworten finden.« Er verharrte. »Was soll diese Übung bewirken?« Er zeigte auf die Glassplitter.
»Füge zusammen, was zusammen gehört«, flüsterte Gwenael.
»Ist das metaphorisch gemeint, Schwester?«
»Das Bild ist unklar.« Auf dem Tisch lagen unzählige Glasscherben, zersplitterte Fragmente. Sie hob ihre Handfläche darüber und schloss die Augen. Als sie sie öffnete, erfreute sie sich an dem Anblick. Wie von Geisterhand fügten sich die Splitter zusammen, rasteten ineinander, Stück für Stück, ein glitzernder Wirbel, es knisterte leise dabei, und mit einem satten Geräusch sank das gefügte Glas mit dem Boden zuerst auf die Tischbohlen. Ein weiches grünes Licht schimmerte im Glas, als die Risse milchig wurden, sich ineinander verwoben und das Gefäß endgültig und völlig unversehrt zusammengefügten.
»Bist du unter die Gaukler gegangen?«, fragte Murgon abschätzig.
Gwenael lächelte sanft. »War das eine metaphorische Frage, Murgon?«
Der Dunkelelf lachte kalt, drehte sich um und verließ den Raum.
Nichts wirkte in Unterwelt so deplatziert wie die Graue Bibliothek. Bücher, Schriftrollen und Pergamente hätte man an diesem Ort des Bösen zuletzt vermutet. Gwenael staunte über diese Sammlung. Es gab Bibliothekare auf Mythenland, die ihr letztes Hemd, ihre Ziege und noch ein Bein obendrauf für dies hier gegeben hätten.
Bücher der Dunkelheit – soweit das Auge sah.
Erinnerungen von Vampiren, die aus gebildetem Hause kamen. Nachkommen Blinder Magister, die zu Mördern geworden waren und Seiten mit Ratschlägen gefüllt hatten, wie man ein anderes Wesen meisterhaft vom Leben zum Tode beförderte. Bücher in geheimen Schriften, die keiner lesen konnte. Unzählige Rollen und Bücher mit Zaubersprüchen, dunkle Magie oder weiße, die sich in Schwarze gewandelt hatte. Hier waren die Kriegserinnerungen grausamer Herrscher festgehalten, minutiöse Erklärungen jeder erdenklichen Folterart. Es gab Pergamente, die von den Wächtern persönlich verfasst worden waren.
Jedes Gerichtsverfahren, das in Dandoria stattgefunden hatte, war dokumentiert, Hexenverfahren, alle Dämonenprozesse. Detailliert wurden die Exekutionen geschildert, die, angeführt von Inquister Loouis Balger, in den letzten vierzig Jahren in Dandoria stattgefunden hatten, doch auch alles, was davor geschah.
Hier fand man die Stammbäume großer Kriegerfamilien aus dem Norden und Zeichnungen, die Wesen zeigte, die von den Sternen gekommen waren.
Es gab allerdings auch unterhaltsame Geschichten menschlicher Autoren oder dichtender Elfen. Die der menschlichen Autoren drehten sich meistens um düstere Begebenheiten, Mord, Entführung und Grauen. Gweanel war erstaunt, dass es offensichtlich nur wenige Bücher gab, die nicht davon handelten. Sogar einige ihrer elfischen Artgenossen hatten sich dazu herabgelassen, in ihrer Dichtung die Nacht zu favorisieren.
Am interessantesten waren die Schriften, die von Intrigen und Machtergreifung handelten. Es war erstaunlich, wie viele Menschen und andere Rassen sich damit beschäftigt hatten. Die Intrige war zur Meisterschaft erhoben worden. Für die Machtergreifung und deren Festigung galten feste Regeln. Es war ein Spiel. Man musste es beherrschen.
Doch sie fanden nichts darüber,
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