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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Frethmar ahnte, was dahinter steckte. Es handelte sich sozusagen um eine Mutprobe. Was Stonebrock geschafft hatte, würde auch Gorrik, Sohn von Krorr Stahlfaust, Sohn von Grambor Eisenstein schaffen. Es wurden Wetten abgeschlossen und Gorrik nahm hocherhobenen Hauptes die Strafe an.
    Er betrat die Hallen der Ahnen mit siegessicherem Grinsen, denn er wusste, dass ihm nichts geschehen konnte. Frethmar stellten sich die Haare auf, doch so sehr er auch intervenierte, niemand hörte auf ihn. Niemand wollte seine Aufschneidereien hören. Schließlich hatte er in einem schwachen, aber wahrhaftigen Moment die Wahrheit gesagt.
    Auch Gorrik wollte den Ältesten mit einem Grinsen im Gesicht entgegen treten, sie Lügen strafen. Keiner der jungen Zwerge hatte Lust, sich weiterhin von den Alten beherrschen zu lassen. Sie würden ihren eigenen Weg gehen. Sie waren die Generation der Zukunft und es hieß, den dunklen Drohungen ihrer Eltern oder der Ältesten, die jede kleine Verfehlung rigoros ahndeten und von Disziplin sprachen, Paroli zu bieten, sie unglaubhaft zu machen. Es waren Alte – und sie waren jung! Ihnen gehörte die Welt.
    Die nächste Woche war für Frethmar die Hölle.
    Er strich um die Felsen, die den Eingang zur Halle markierten und lauschte, als vermute er, etwas zu vernehmen.
    Litr, Minnr und viele andere belächelten Frethmar.
    »Er will sich wichtig tun«, sagten sie. »So war er schon immer. Er hat nur einen kurzen Namen, das will er ausgleichen. Er hält sich für einen Poeten und genaugenommen ist er ein Spinner. Er sollte, anstatt Kunsthandwerke zu lernen, in den Gruben arbeiten. Sollte Gold und Silber fördern, sollte endlich Dreck schmecken. Das, was er Visionen nennt, sind Ideen, die das Gemeinschaftsgefüge durcheinander bringen.«
    Die jungen hübschen Zwerginnen verlachten ihn.
    »Er hätte ein Held sein können, stattdessen hat er uns die Wahrheit gesagt. Die Ahnenhalle ist ein Witz. Nun ja, man muss ihm seine Ehrlichkeit hoch anrechnen.«
    Frethmar fragte sich, ob nicht jeder lieber belogen wurde? Wollte jedermann nur hören, was er hören wollte? Ja, so war es!
    Es wäre ein leichtes gewesen, die Wahrheit zu erzählen. Man hätte ihm hofiert, ihn gefeiert – doch das hatte er versäumt. Nun war es zu spät!
    Frethmar lernte, dass Fragen die Mutter der Lügen sein konnten und dass eine Lüge eine neue nach sich zog. Er dachte an das rote Buch, welche plötzlich verschunden war und an das, was er erlebt hatte. Musste das auch Gorrik geschehen? Oder schauten sich die Geister ihre Probanten genau an und entschieden dann, was sie taten?
    Nach vier Tagen hatte er sich soweit beruhigt, dass er im Goldenen Brocken einige Humpen stemmen konnte. Er war betrunken und berichtete einem aufmerksamen Publikum die Wahrheit. Sprach über die Geister und die Dämonen, denen er sich gestellt hatte und über das rote Buch. Walderan legte ihm seine Pranke auf die Schulter und sagte: »Geh nach Hause, Kleiner. Mach dich nicht lächerlich.«
    Frethmars wenige Sätze hatten sich verselbstständigt.
    Er konnte tun, was er wollte – niemand glaubte ihm.
    Als die Woche vorüber war, fand man Gorrik in der Ahnenhalle.
    Er sabberte und weinte.
    Er hatte den Verstand verloren.
     
     
    »Warum hast du uns nicht die Wahrheit gesagt?«, brüllten Noribur und Kili. Auch andere waren dabei.
    »Ich habe es euch zu erklären versucht!«, wehrte sich Frethmar.
    »Nein, das hast du nicht!«, tobte Litr, der ausnahmsweise alleine war. »Du hast uns was vorgemacht. Wegen dir ist Gorriks Geist verwirrt. Du wusstest, was dort geschehen würde und hast es zugelassen.«
    »Aber ich habe versucht ...«, stotterte Frethmar.
    »Nichts hast du versucht!«, wetterte Litr, spuckte aus und drehte sich weg. Alle drehten sich weg und Frethmar kam sich unverstanden und einsam vor. Er schmetterte den halb geleerten Humpen auf den Tresen und stapfte hinaus. Er strich durch die Stadt, doch durch seine Tränen konnte er kaum etwas erkennen. Er zog Rotze hoch und wischte sich unauffällig über die Augen.
    Erneut hatte er einen Fehler begangen. Erneut hatte er sich ins Abseits katapultiert.
    Es dauerte viele Wochen, bis sich die Stimmung gegen ihn beruhigte.
    Ortax und Chator suchten ihn auf.
    Frethmar schluckte den Rest seiner Mahlzeit hinunter und musterte die Zwerge, die in das Haus seiner Tante gekommen waren. Wut stieg in ihm auf. Denen hatte das ganze Unglück zu verdanken. Sie hatten ihn missbraucht. Was, wenn auch er den Verstand verloren

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