Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
lassen gehörte zum täglichen Ritual. Die in Dalven, den Randgebieten von Dandoria und im Norden gefangenen Sklaven wurde für ein paar Minuten die Möglichkeit gegeben, sich an Deck zu bewegen. Ein Trommler schlug den Takt und die Gefangenen bewegten sich im Takt. Das war gut für den Blutkreislauf und hielt gesund.
Wenige Minuten später dröhnte ein regelmäßiges Pochen über das Schiff und das Oberdeck pulsierte von rhythmischen Fußbewegungen.
Heute wollte Fat Orloff sich das Theater anschauen. Er stopfte seine Pfeife, zündete den Tabak an und trat aus seiner Kajüte. Ha, er liebte es, wenn diese unterschiedlichen Wesen, Menschen, Halblinge, einige Trolle und Loreoner im Sonnenschein schwitzten. Er war einer der wenigen Kapitäne, die stets für eine gute Mischung unterschiedlicher Rassen sorgte. Das war manchen Kapitänen zu anstrengend, denn es erforderte, das Sklavenschiff an vielen unterschiedlichen Orten ankern zu lassen.
Die Mischung füllte den Geldbeutel.
Es war ein hartes Handwerk und Fat Orloff war stolz darauf. Er wusste, dass Sklavenhandel verpönt war und achtete stets darauf, keinem dandorianischen Schoner zu begegnen. Es würde nicht mehr lange dauern, und die Gefahr des Sklavenhandels wäre zu groß. Nicht wenige tapfere Händler waren am Galgen geendet. Also hieß es, so schnell es ging, Richtung Süden zu fahren.
Dort waren die Gesetze stabiler, denn man benötigte Sklaven auf den Feldern, in den Gruben und im Haushalt.
Einer, es handelte sich um einen schmal gewachsenen Menschen, brach zusammen. Er rappelte sich jedoch sofort wieder auf, denn die Peitsche des Ersten knallte auf seinen Rücken. Er schimpfte und spuckte aus.
Fat Orloff traute seinen Augen nicht.
So etwas konnte er nicht durchgehen lassen.
Niemand, bei den Göttern, niemand spuckte auf sein Deck. Er streckte die Hand aus und der Trommler hielt inne. Mit dem Zeigefinger winkte er den Mann zu sich. Dieser senkte den Kopf und verließ mit schweren Schritten die Gruppe. Er wirkte ausgelaugt, übermüdet und halb verhungert. Einer, der die Überfahrt vermutlich sowieso nicht überleben würde.
Genau der Richtige, um ein Exempel zu statuieren.
Fat Orloff lächelte sein Großvaterlächeln und sagte: »Verstehst du die Hohe Sprache?«
»Ja«, gab der Mann bedrückt zurück.
»Du hast auf mein Deck gespuckt!«
»Es tut mir Leid, Kapitän.«
»Warum hast du das getan?«
Der Ärmste zog die Schultern hoch, eine bemitleidenswerte Geste.
»Das, Sklave, lasse ich nicht zu!« Fat Orloff erhob seine Stimme und sein Blick blitzte über die Sklaven, welche verängstigt zuschauten. »Merkt euch das – niemand benimmt sich an Bord dieses Schiffes schlecht! Was sollen eure zukünftigen Herren über mich denken, wenn ich spuckende Sklaven abliefere, die kein Benehmen haben?«
Der Kapitän machte eine mild wirkende Geste und der Erste ergriff den Sklaven, zwang ihn in die Knie und ehe der sich bewusst war, was geschah, klatschte die Peitsche auf seinen Rücken. Der Mann schrie auf und schon war der nächste Schlag da.
Fat Orloff wusste, dass man so und so peitschen konnte. Es war eine Sache der Technik. Entweder fügte man nur Schmerzen zu oder man zerriss dem Opfer die Haut. Der Erste hatte sich für letzteres entschieden.
Dies war der Moment, den Fat Orloff liebte.
Die Meute bäumte sich auf. Sie knurrte, fletschte die Zähne, einige weinten. Sie waren voller Hass und hätten sich am liebsten auf ihre Peiniger gestürzt. Er sah, wie ihre Muskeln zuckten, wie sie die Hände zu Fäusten ballten, er roch die Mischung aus Furcht und unbändigem Zorn. Sie glichen einer Herde wilder Tiere, die nicht mehr lange an sich halten würden, um das schreckliche Geschehen zu beenden, dennoch – und das machte es so spannend – würden sie es niemals tun. Sie mussten mit ihrer Wut klarkommen, bis zum bitteren Ende, sonst wäre sie selbst dran.
Diesen Zwiespalt auch Angst und Courage, den inneren Kampf und die Panik vor den Konsequenzen, vermittelte Fat Orloff ein Glücksgefühl der Macht. Er wusste, dass, sollten Sklaven es wirklich wollen, sie jedes Sklavenschiff einnehmen konnten. Zwar würden einige den Tod finden, doch manche würden überleben. Der Frachtraum war voller Leben, dass auszubrechen versuchte, trotzdem konnten Sklavenjäger sich relativ sicher fühlen.
War es die Peitsche?
Resignierten die Sklaven?
Oder hatten sie Hoffnung?
Fat Orloff fand, dass es ein Gemisch aus allen drei Dingen war, nein, nicht ganz – vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher