Im Schatten der Erdmagie
niemals vermutet hätte. Jedenfalls nicht, bevor er Ellen begegnet war.
Er schaute zum Haus hinüber, das zum größten Teil von den Bäumen im Vorgarten verdeckt wurde. Der Vorgarten sah aus wie eine ganz besondere Mischung aus Wildwuchs und behutsamer Pflege. Das war gewiß Ellens Mutter zu verdanken. Sie hatte eine geschickte Hand und zwang der Natur nichts auf, was nicht der Natur gebührte.
Seltsam, daß ich das gerade jetzt denke! gestand er sich ein und lief unsicher zu dem schmalen Weg hinüber, der durch den Vorgarten zur Haustür führte. Er fühlte sich, als würde er zum Schafott geführt werden.
Kaum hatte er den Weg erreicht, hielt er inne. Irgendwie hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Doch nicht vom Haus her? Nein, Ellens Mutter wußte noch nichts von seinem Kommen.
Er schaute sich überrascht um, doch sogleich verflog dieses unangenehme Gefühl wieder. Er ging kopfschüttelnd weiter.
„ Komisch, das habe ich ja noch nie erlebt? Was ist los mit mir?” murmelte er vor sich hin und schüttelte abermals den Kopf, wie um die verwirrten Gedanken dadurch loszuwerden. Doch sie begleiteten ihn bis zur Haustür. Er hob die Hand und wollte klingeln, da wurde die Tür bereits von innen geöffnet.
Kara Kioto erschien in der sich öffnenden Haustür.
Peter stand da, wie vom Donner gerührt. Er war entsetzt und brachte keinen Laut heraus.
Doch dann schaute er in das Gesicht von Ellens Mutter und vergaß sein Entsetzen. Es machte tiefer Sorge Platz, denn das Gesicht von Ellens Mutter drückte genau diese aus: tiefe Sorge! Sie sprang regelrecht auf Peter über.
„ Wieso kommen Sie allein?” fragte Ellens Mutter. Es war mehr ein leises Flüstern als ein richtig gesprochener Satz.
„ Sie – sie hat unser Treffen abgesagt, weil sie mit einem Professor unterwegs ist. Er benötigt ihre Russischkenntnisse.”
„ Wie bitte?” Die Sorge von Ellens Mutter wurde eher noch größer. „Was für ein Professor ist denn das?”
„ Ach, so ein alter Zausel, der merkwürdige Thesen verbreitet und den deshalb niemand wirklich ernst nimmt.”
„ Merkwürdige Thesen?”
„ Halt so okkultes Geschwätz. Professor Brook ist nun einmal Archäologe und Historiker. Ich denke mal, das bringt sein Beruf so mit sich, daß man abergläubisch wird.”
„ Aha?” Spontan trat Kara Kioto beiseite und machte eine einladende Geste. „Kommen Sie herein und erzählen Sie mir mehr!”
Peter kam gar nicht auf den Gedanken, ihr zu widersprechen. Er trat ein.
Kara Kioto führte ihn ins Wohnzimmer und hieß ihn, sich zu setzen. Sie ließ sich ihm gegenüber nieder und schaute ihn forschend an.
„ Erzählen Sie mir mehr von diesem Professor!” Es klang fast wie eine Beschwörung.
„ Nun, wie schon gesagt...” Peter zuckte unsicher die Achseln: „Er ist schrullig. Seine Villa, die er von einem reichen Onkel geerbt hat, ist vollgestopft mit alten Schriften.”
„ Auch mit japanischen?”
Peter runzelte die Stirn.
„ Keine Ahnung!” antwortete er ehrlich.
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
„ Ach, ist auch egal.” Langsam, wie vorsichtig, lehnte sie sich zurück.
„ Eigentlich bin ich nicht wegen dem Professor hier”, begann Peter gepreßt.
„ Wegen Ellen ja wohl auch nicht. Sie wissen besser als ich, daß sie nicht hier sein kann. Sind Sie deshalb zu mir gekommen, weil Sie mit mir allein sprechen wollten?”
„ Ja, genau, aber...?”
„ Es ist nicht gerade so, als hätte ich darauf gewartet, Mr. Carmichael, aber irgendwann mußte das ja kommen. - Was hat denn Ellen gestern abend gesagt?” Die Frage kam so unerwartet, daß Peter unwillkürlich zusammenzuckte.
„ Gar nichts!” bekannte er schließlich. „Und das ist auch der Grund, wieso ich hier bin: Sie wich meinen Fragen aus. Also fragte ich sie auch nicht mehr. Doch ich merkte, daß sie sich verändert hatte. Sie war ziemlich durch den Wind, wie man so sagt.”
„ Und jetzt wollen Sie von mir wissen, was wir besprochen haben?”
„ So ist es! Ich will das nicht deshalb wissen, weil ich neugierig bin, sondern weil ich mir Sorgen mache um Ellen.”
„ Sorgen? Die mache ich mir seit gestern abend ebenfalls. Ich habe ihr alles gesagt, in Kurzfassung sozusagen, doch ich glaube nicht, daß sie sich darüber im klaren ist, was es für sie wirklich bedeutet.”
„ Hat es damit zu tun, daß Sie sonst immer so distanziert mir gegenüber sind?” fragte Peter aufs Geradewohl.
Sie musterte ihn. Die Sorge stand ihr immer noch ins Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher