Im Schatten der Erdmagie
geschrieben, und Peter wußte, daß man es ihm ebenfalls ansah.
„ Wieso sorgen Sie sich denn so sehr, wenn sie nicht wissen, worum es ging?” fragte sie ihn.
„ Weil ich Ellen kenne. Nein, nicht nur diese vier Wochen. Ich weiß, daß ich sie länger kenne, viel länger. Nur war sie damals nicht Ellen und ich war nicht Peter.”
„ Wie können Sie da so sicher sein?”
„ Nicht ich bin sicher, sondern mein Gefühl! Wir sind füreinander bestimmt. Nicht nur in diesem Leben. Das ist ganz deutlich. Sehen Sie, ich bin normalerweise nicht abergläubisch. Das können Sie mir ruhig glauben. Doch in diesem Fall...” Er brach ab.
Kara Kioto nickte nachdenklich.
„ Ich weiß, wie Sie fühlen, denn meinem Mann und mir erging es genauso wie euch beiden. Eines Tages werden wir sterben, aber es wird nicht für immer sein. Wir werden uns wieder begegnen. Wenn es so weit ist, werden wir uns zwar nicht an unser Leben hier und jetzt erinnern, doch an unsere Gefühle füreinander. Wenn Ellen nicht wäre, meine geliebte Tochter, würde ich diesen Zeitpunkt so sehr herbeisehnen, daß ich nicht mehr leben wollte.”
Erschüttert sah Peter sie an.
„ Sie ebenfalls? Aber was hat das denn zu bedeuten?”
„ Verwirrt? Kein Wunder! Aber gut, ich sage Ihnen, was ich glaube und weshalb ich Ihnen lieber aus dem Weg ging: Wenn ich sie sehe, denke ich an meinen Mann. Verstehen Sie: Es ist dieselbe Situation, wie ich sie erlebt habe und wie Ellen sie jetzt mit Ihnen erlebt. Mein Mann mußte sterben, als Ellen auf der Welt war. So, als würde er nicht mehr gebraucht werden. Und so werden Sie auch eines Tages sterben müssen – weit vor der normalen Zeit. Und dann werde ich vielleicht denselben Schmerz noch einmal ertragen müssen, wenn ich es zulasse, daß Sie wie ein Sohn zu mir werden!”
Plötzlich schossen Tränen in ihre Augen, immer mehr. Sie war nicht in der Lage, diese Tränenflut zu stoppen.
„ Aber vielleicht kommt es diesmal sogar anders? Vielleicht werden nicht Sie zuerst sterben, sondern...?”
„ Ellen?” rief Peter alarmiert. Er betrachtete die weinende Mutter und wußte einfach nicht, wie er sich verhalten sollte. Doch dann folgte er einem inneren Drang, stand auf, setzte sich neben sie und nahm sie einfach in die Arme, um sie zu trösten.
„ Es wird Ellen nichts passieren. Dafür garantiere ich. Lieber würde ich selber sterben, als daß ich zulassen würde...”
„ Das glaube ich dir sogar, Peter!” bekannte die weinende Mutter. Dann befreite sie sich von ihm.
Peter schaute in ihr tränennasses Gesicht.
„ Ellen ist mit diesem Professor gegangen, weil sie Antworten sucht”, behauptete sie.
„ Was für Antworten?” wunderte er sich.
„ Es gibt ein Geheimnis in unserer Familie. Dazu gehört, was du bereits weißt. Denke daran, wie du Ellen zum ersten Mal begegnet bist, als ihr euch eurer Gefühle erinnert habt. Das ist Liebe weit über den Tod hinaus. Das ist Liebe für die Ewigkeit! Aber es gibt dafür einen Grund.”
„ Welchen?” fragte Peter einfach.
„ Ich – ich kann es nicht bis ins Detail erklären. Nur soviel: Es ist unser Schicksal, und es hat mit etwas zu tun, was dieses Leben auf der Erde geschaffen hat.”
„ Wie bitte?”
„ Ja, schau mich nur an wie eine Verrückte, aber erinnere dich dabei an deine Gefühle, an das, was du vorhin gesagt hast. Klingt es nicht auch verrückt, wenn du behauptest, Ellen aus einem früheren Leben zu kennen und dir darin völlig sicher zu sein?”
„ Zugegeben...”
„ Also dann: Die Erde ist kein toter Planet, sondern die Welt... lebt! Mehr noch: Sie denkt! Sie ist Gaia, wie japanische Mythologien es bezeichnen. Doch es gibt böse Geschichten über den Schrecken aus der Tiefe. Nein, Gaia kann nicht böse sein, denn sie ist die Urmutter, die Schöpferin des Lebens und der Gedanken. Wir leben aus ihr und mit ihr, obwohl wir so gering für sie sind, daß sie sich niemals mit uns beschäftigt. Es sei denn, wir fordern sie heraus.”
„ Wenn der Mensch frevelt, wird sie sich dafür an ihm rächen?”
Kara Kioto machte große Augen.
„ Du weißt davon?”
„ Nein, nicht wirklich, aber alle Naturvölker dieser Welt haben diese Vorstellung von einem belebten Ganzen, von dem sie nur Teile sind. Sie würden niemals die Natur ausbeuten oder gar zerstören. Anders als unsere Kultur hier und heute, in der solche Gedanken nicht nur vergessen, sondern gänzlich verpönt sind. Mythologien haben mich schon immer interessiert, aber nicht, weil ich
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