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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Sprache. Sie machte eine wegwerfende Geste. Das spielte jetzt wirklich keine Rolle.
    Monk war in Gedanken weit weg, er sah weder den Raum noch die beiden anderen Personen.
    Die Uhr auf dem Mahagonisims des Kamins vertickte die Sekunden. Die Sonne ließ den polierten Boden zwischen Fenster und Teppich erstrahlen. Vor dem Fenster rief jemand nach einer Droschke. Die Sekretäre und Juniorpartner waren noch nicht im Büro.
    Monk nahm eine andere Position ein.
    »Abtreibungen«, überlegte er laut.
    »Was?« riefen Hester und Rathbone wie aus einem Mund.
    »Stanhope hat doch Abtreibungen vorgenommen«, sagte Monk langsam.
    »Ist nicht zu beweisen«, verwarf Rathbone den Gedanken.
    »Jedesmal eine andere Schwester, und immer eine, die viel zu dumm war, um mehr zu können, als ihm die Instrumente zu reichen und sie hinterher wieder zu säubern. Die haben geglaubt, was er ihnen erzählt hat – die Entfernung eines Geschwürs ist wohl das Wahrscheinlichste.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er hat es mir gesagt! Er gibt es offen zu, weil er weiß, daß ich nicht gegen ihn aussagen kann!«
    »Sein Wort«, sagte Monk trocken. »Aber darauf kommt es hier nicht an.«
    »O doch!« widersprach ihm Rathbone. »Ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, um welche Schwestern es sich handelt – und es gibt weiß Gott genug dumme in diesem Krankenhaus! Die werden nicht aussagen, und selbst wenn, das Gericht würde denen doch nicht mehr glauben als Sir Herbert! Können Sie sich eine von denen vorstellen: dumm, verängstigt, verdrießlich, wahrscheinlich schmutzig und noch nicht einmal nüchtern.« Sein Gesicht verzog sich zu einem bitteren Lächeln.
    »Ich hätte sie im Handumdrehen in der Luft zerrissen.«
    Er nahm eine zugleich würdige und satirische Pose ein. »Also, Mrs. Moggs, woher wollen Sie wissen, daß es sich bei dieser Operation um eine Abtreibung handelte und nicht um die Entfernung eines Tumors, wie der hervorragende Chirurg Sir Herbert Stanhope unter Eid zu Protokoll gegeben hat? Was haben Sie gesehen – genau bitte?« Er hob die Brauen.
    »Aufgrund welcher medizinischen Ausbildung können Sie so etwas sagen? Wie bitte, Sie haben keine Ausbildung? Wie lange hatten Sie Dienst? Die ganze Nacht? Und was taten Sie da? Ach so –Fäkalieneimer leeren, den Boden wischen, das Feuer schüren. Sind das Ihre üblichen Pflichten, Mrs. Moggs? Ja, ich verstehe. Wie viele Gläser Porter hatten Sie? Der Unterschied zwischen einem Tumor und einem sechs Wochen alten Fötus? Ich kenne ihn nicht. Sie auch nicht? Ich danke Ihnen, Mrs. Moggs, das wäre alles…«
    Monk holte Luft, um etwas zu sagen, aber Rathbone schnitt ihm das Wort ab. »Und Sie haben nicht die geringste Chance, eine der Patientinnen in den Zeugenstand zu bekommen! Selbst wenn Sie sie finden könnten, was Ihnen nicht gelingen wird. Sie würden lediglich Sir Herberts Aussage bestätigen, es habe sich um einen Tumor gehandelt!« Er schüttelte den Kopf in kaum noch zu bändigendem Zorn. »Wie auch immer, es spielt ohnehin keine Rolle, weil wir sie nicht aufrufen können. Und Lovat-Smith weiß nichts davon! Außerdem ist die Beweisaufnahme der Staatsanwaltschaft abgeschlossen. Ohne einen triftigen Grund kann er sie zu diesem Zeitpunkt nicht wiedereröffnen.«
    Monk machte ein trostloses Gesicht. »Ich weiß das. Daran habe ich auch nicht gedacht. Natürlich werden sie nicht aussagen. Aber woher wußten die Frauen, daß Sir Herbert eine Abtreibung vornehmen würde?«
    »Was?«
    »Woher…«, begann Monk.
    »Ja! Ich habe Sie schon verstanden!« schnitt Rathbone ihm ein weiteres Mal das Wort ab. »Ja, gewiß ist das eine ausgezeichnete Frage, aber ich sehe nicht, wie uns die Antwort weiterhelfen könnte, selbst wenn wir es wüßten. Es ist schließlich nichts, wofür man Reklame macht. Es muß wohl irgendwie durch Mundpropaganda geschehen.« Er wandte sich an Hester. »Wo geht man hin, wenn man eine Abtreibung vornehmen lassen möchte?«
    »Ich weiß nicht!« sagte sie unwillig. Dann, einen Augenblick darauf, legte sie die Stirn in Falten. »Aber wir können es vielleicht herausfinden.«
    »Lassen Sie’s gut sein«, verwarf Rathbone den Gedanken. Einmal mehr war er sich seiner unseligen Situation bewußt.
    »Selbst wenn Sie es herausfinden würden, wir könnten weder Zeugen aufrufen, noch könnten wir es Lovat-Smith sagen. Uns sind die Hände gebunden.«
    Monk stand am Fenster, das klare Sonnenlicht betonte seine harten Züge, die glatte Haut seiner Wangen und die Kraft seiner

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