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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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geärgert haben. Wie alt war Prudence gewesen? Callandra hatte etwas von Ende Zwanzig gesagt. Geoffrey Taunton war sicher etwas älter. War Nanette eine Altersgenossin, oder war sie nur etwas jünger? Falls dem so war, dann wurde es höchste Eisenbahn für sie, unter die Haube zu kommen. Wenn schon nicht jetzt, so würde es nicht mehr lange dauern, und man würde sie nicht nur für eine alte Jungfer halten, sondern auch für entschieden zu alt für ihr erstes Kind. Konnte es sein, daß sie mehr empfand als nur Eifersucht, eine gewisse Verzweiflung, Panik – zusehen zu müssen, wie die Jahre ins Land gingen und Geoffrey Taunton auf eine Frau wartete, die ihn ihres Berufs wegen abwies?
    »Natürlich nicht«, sagte er unverbindlich.
    »Höchstwahrscheinlich ist es wahr, und mir geht es ja um die Wahrheit, so hart sie auch sein mag. Mit einer höflichen Lüge ist jetzt keinem gedient, im Gegenteil, sie würde nur verdunkeln, was ans Licht gehört.« Seine Stimme war kühl, aber sie hörte eine Rechtfertigung heraus. Mit festem Druck auf die Zügel hielt sie das Pferd dicht hinter sich.
    »Ich danke Ihnen, Mr. Monk, das beruhigt mich sehr. Es ist unangenehm, über andere Schlechtes zu sagen, und sei es noch so unbedeutend.«
    »Ich glaube, viele Leute genießen das«, sagte er mit einem trägen Lächeln. »Um genau zu sein, es ist eines ihrer größten Vergnügen, vor allem wenn sie sich dabei überlegen fühlen können.«
    Sie war bestürzt. Man sprach so etwas nicht so offen aus.
    »Oh, glauben Sie?«
    Fast hätte er sich alles verdorben. »Es gibt solche Leute«, sagte er und köpfte einen langen Weizenhalm, der in den Weg gewachsen war. »So leid es mir tut, aber ich muß Sie bitten, mir noch einiges mehr über Prudence Barrymore zu erzählen, auch wenn Ihnen das geschmacklos erscheint. Ich weiß einfach nicht, wen ich sonst fragen sollte, wer sonst so ehrlich wäre. Lobreden helfen mir nicht weiter.«
    Diesmal behielt sie die Augen geradeaus. Sie waren am Gatter der Farm angelangt, das er ihr öffnete und wartete, bis auch das Pferd es passiert hatte; dann ging er selbst durch und schloß es sorgfältig. Ein älterer Mann in einem verblichenen Kittel und einer Hose, die an den Knöcheln mit Schnüren zusammengebunden war, nahm ihr das Pferd mit einem schüchternen Lächeln ab. Nanette dankte ihm und führte Monk über den Hof auf den Kräutergarten zu. Schließlich öffnete er ihr die Tür des Bauernhauses, die wider Erwarten nicht in die Küche, sondern in einen breiten Flur auf der Seite des Hauses führte.
    »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten, Mr. Monk«, fragte Nanette mit einem Lächeln. Sie war etwas größer als der Durchschnitt und schlank, hatte eine Wespentaille und einen kleinen Busen. Sie bewegte sich in ihren Reitröcken so geschickt, daß sie angewachsen schienen und ganz und gar nicht hinderlich wie für manch andere Frau.
    »Ich danke Ihnen.« Er wußte nicht, ob von ihr etwas Nützliches zu erfahren wäre, aber womöglich war es seine einzige Gelegenheit. Er wollte sie nutzen.
    Sie legte Hut und Reitgerte auf dem Tisch im Flur ab. Dann läutete sie nach einem Dienstmädchen, verlangte Tee und führte ihn in ein hübsches Wohnzimmer voller geblümter Chintzmöbel. Sie unterhielten sich über Belanglosigkeiten, bis man den Tee brachte, dann waren sie wieder allein und konnten sicher sein, nicht weiter gestört zu werden.
    »Sie wollen also mehr über die arme Prudence wissen«, sagte sie sofort und reichte ihm seine Tasse.
    »Wenn Sie so freundlich wären.« Er nahm sie entgegen.
    Ihre Blicke trafen sich. »Bitte, verstehen Sie, daß ich nur deshalb so offen spreche, weil ich mir darüber im klaren bin, daß Sie mit Nettigkeiten kaum herausfinden werden, wer sie ermordet hat, die arme Seele.«
    »Ich habe Sie ja gebeten, offen zu sein, Miss Cuthbertson«, ermutigte er sie. Sie setzte sich in ihren Sessel zurück und begann, ihre Augen fest auf die seinen gerichtet, zu sprechen.
    »Ich kannte Prudence, seit wir beide kleine Mädchen waren. Sie war immer viel neugieriger als die meisten anderen und lernte mit großer Hingabe so viel sie nur konnte. Ihre Mutter, ein liebes Wesen mit gesundem Menschenverstand, versuchte ihr das auszureden, aber es hatte keinen Sinn. Haben Sie ihre Schwester Faith kennengelernt?«
    »Nein.«
    »Eine ausgesprochen nette Person«, sagte sie beifällig. »Sie hat nach York geheiratet. Aber Prudence war immer der Liebling ihres Vaters, und ich muß zu meinem Bedauern

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