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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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werden sollen wie Ihr Vater!«
    »Träumen wir wieder mal?« riß Jeavis ihn aus den Gedanken.
    »Darf man fragen, was es zu lächeln gibt? Wissen Sie etwas, was ich nicht weiß?«
    »Nein, Sir!« Evan nahm sich zusammen. »Wie steht es mit dem Verwaltungsrat? Könnte sich herausstellen, daß der eine oder andere hier war, der sie kannte – auf die eine oder andere Weise.«
    Jeavis’ Gesicht wurde schärfer. »Was wollen Sie damit sagen, ›auf die eine oder andere Weise‹? Männer, die in Verwaltungsräten von Krankenhäusern sitzen, haben keine Affären mit Schwestern!« Seinem Mund war nicht nur der Abscheu für den bloßen Gedanken anzusehen, sondern auch seine Mißbilligung darüber, daß Evan ihn in Worte gefaßt hatte.
    Evan hatte zuerst erklären wollen, daß er »beruflich« oder »gesellschaftlich« gemeint hatte, verspürte jetzt jedoch gute Lust, sich querzustellen, und entschied sich dafür, es wörtlich zu nehmen.
    »Nach allem, was man so hört, war sie eine ansehnliche Person und überaus intelligent«, argumentierte er. »Und von solchen Frauen fühlen sich viele Männer angezogen.«
    »Unsinn!« Wie Runcorn hielt auch Jeavis ein gewisses Bild von einer gewissen Klasse von Herren in Ehren. Die beiden konnten sich mittlerweile gut leiden, was sich in zunehmendem Maße für beide von Vorteil erwies. Es war eines der Dinge an Jeavis, die Evan zu sehr irritierten, um sie übersehen zu können.
    »Wenn Mr. Gladstone gewöhnliche Straßenmädchen unterstützen konnte«, sagte Evan entschieden und sah Jeavis dabei geradewegs in die Augen, »dann bin ich sicher, daß ein Mann aus dem Verwaltungsrat eines Krankenhauses eine Zuneigung zu einer prächtigen Frau wie Prudence Barrymore hegen konnte!«
    Jeavis war zu sehr Polizist, um sich in seiner Arbeit von seinen gesellschaftlichen Ambitionen blenden zu lassen.
    »Möglicherweise«, gab er widerstrebend zu und schob mit finsterer Miene die Lippe nach vorn. »Möglicherweise. Aber Sie bewahren gefälligst Ihren Respekt, wenn Sie über Mr. Gladstone sprechen! Und jetzt machen Sie sich an die Arbeit, anstatt hier die Zeit mit Herumstehen zu vertrödeln.« Er stach seinen Finger in die Luft. »Ich will wissen, ob an dem Morgen hier jemand eine fremde Person gesehen hat. Reden Sie mit jedem, hören Sie, daß Sie mir keinen auslassen. Und dann stellen Sie fest, wo sämtliche Ärzte waren – und zwar exakt! Ich kümmere mich inzwischen um die Verwaltungsräte.«
    »Ja, Sir. Und der Kaplan?«
    Ein ganzes Potpourri von Gefühlen huschte über Jeavis’ Gesicht: Empörung über den Gedanken, daß sich ein Kaplan einer solchen Tat schuldig gemacht haben sollte, Ärger über Evan, daß er so etwas sagte, Trauer über die Tatsache, daß es nicht unmöglich war, und schließlich der amüsante Verdacht, daß Evan – immerhin selbst Sohn eines Geistlichen – sich der Ironie des Ganzen bewußt war.
    »Wenn Sie schon dabei sind«, sagte er schließlich. »Aber seien Sie sich Ihrer Fakten gewiß. Kein ›er hat gesagt, sie hat gesagt‹. Ich will Augenzeugen, haben wir uns verstanden?« Er fixierte Evan mit einem grimmigen Blick seiner blaßbewimperten Augen.
    »Ja, Sir«, sagte Evan. »Ich werde konkrete Beweise beibringen, Sir. Die auch vor einer Jury bestehen!«
    Drei Tage später jedoch, als Evan und Jeavis vor Runcorns Schreibtisch standen, war das, was sie an konkretem Beweismaterial hatten, kaum der Rede wert.
    »Also, was haben Sie?« Runcorn lehnte sich zurück, sein langes Gesicht düster und kritisch. »Machen Sie schon, Jeavis! Eine Krankenschwester wird in einem Hospital erwürgt! Es ist schließlich nicht so, daß da jemand unbemerkt hineinspazieren könnte! Das Mädel muß Freunde gehabt haben, Feinde, Streit!« Er klopfte mit dem Finger auf den Schreibtisch ein. »Wer sind sie? Wo waren sie, als sie ermordet wurde? Wer hat sie zuletzt gesehen, bevor man sie fand? Was ist mit diesem Dr. Beck? Ein Ausländer, sagen Sie? Wie ist er denn so?«
    Jeavis hatte Haltung angenommen, die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt. »Ziemlich stiller Bursche«, antwortete er, die Züge sorgfältig zu einer respektvollen Miene gefaltet.
    »Geschniegelt, leichter Akzent, spricht unsere Sprache aber ziemlich gut – ehrlich gesagt, zu gut, wenn Sie wissen, was ich meine, Sir? Scheint seinen Beruf zu verstehen, aber Sir Herbert Stanhope, der Chefarzt, scheint ihn nicht sonderlich zu mögen.« Er blinzelte. »Wenigstens meine ich das zu spüren; gesagt hat er es natürlich

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