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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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konnte.«
    Florence lächelte belustigt und, wie er meinte, von einem gewissen Stolz erfüllt. »Das überrascht mich nicht«, gestand sie.
    »Hester konnte Dummköpfe noch nie ertragen, vor allem keine militärischen, und davon gibt es eine ganze Menge. Sie konnte sich furchtbar aufregen über Dummheit und Verschwendung. Und das hat sie auch gesagt, und was man hätte tun sollen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich denke mir, wäre sie ein Mann, Hester würde einen guten Soldaten abgeben. Sie hatte den für den Kampf nötigen Eifer und einen guten Instinkt für Strategie, wenigstens für die physische Variante davon.«
    »Die physische Variante?« Er verstand nicht. Er hatte nie bemerkt, daß Hester eine sonderlich gute Strategin gewesen wäre – eher im Gegenteil.
    Sie sah seine Verwirrung und Zweifel. »Oh, ich meine damit eine Art, die ihr nicht viel nützen kann«, erklärte sie. »Jedenfalls nicht als Frau. Sie konnte nicht abwarten und Leute manipulieren. Dafür hatte sie keine Geduld. Aber auf einem Schlachtfeld, da kannte sie sich aus. Und sie hatte den nötigen Mut.«
    Wieder konnte er nicht anders als zu lächeln. Das war die Hester, die er kannte. Aber Florence sah ihn nicht an. Sie hatte sich in Erinnerungen verloren, ihre Gedanken durchstreiften die jüngste Vergangenheit. »Das mit Prudence tut mir so leid«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Monk, und ihr Gesicht strahlte mit einemmal eine unerträgliche Einsamkeit aus. »Sie hatte eine solche Leidenschaft fürs Heilen. Ich erinnere mich noch daran, daß sie mehr als nur einmal mit den Sanitätsoffizieren loszog. Sie war nicht besonders kräftig und hatte eine Heidenangst vor Kriechzeug, Insekten und dergleichen, aber sie schlief trotzdem draußen, um zur Stelle zu sein, wenn man sie brauchte. Immer wieder wurde ihr schlecht angesichts der Schrecklichkeit mancher Wunden, aber immer erst hinterher.
    Während einer Operation gab sie dem nicht nach. Und wie sie arbeiten konnte! Nichts war ihr zuviel. Einer der Sanitätsoffiziere erzählte mir, daß sie über Amputationen nicht weniger wüßte als er selbst und auch nicht davor zurückschreckte, so etwas selbst zu erledigen, wenn sonst keiner zur Stelle war.«
    Monk unterbrach sie nicht. Das milde Sonnenlicht über London verschwand, und er sah nichts weiter als die schlanke Frau in ihrer schmucklosen Kleidung, hörte nichts als ihre intensive, leidenschaftliche Stimme.
    »Rebecca hat es mir erzählt«, sagte sie. »Rebecca Box. Ein Schrank von einer Frau, eine Soldatenfrau obendrein, weit über einen Meter achtzig groß und stark wie ein Ochse.« Die Erinnerung ließ sie lächeln. »Sie ist immer hinaus aufs Schlachtfeld, sogar vor die Kanonen, um Verwundete zu holen, und sie wagte sich viel weiter als alle anderen hinaus, bis direkt vor den Feind. Dann hat sie sie auf den Rücken genommen und ins Lager getragen.«
    Mit einem forschenden Blick wandte sie sich wieder an Monk. »Sie haben keine Vorstellung davon, was Frauen vermögen, bevor Sie nicht jemanden wie Rebecca gesehen haben. Sie hat mir erzählt, wie Prudence das erste Mal einem Mann den Arm abgenommen hat. Man hatte ihn mit einem Säbel bis auf den Knochen durchtrennt. Er blutete schrecklich, und es gab keine Möglichkeit, ihn zu retten, und außerdem keine Zeit, einen der Ärzte zu suchen. Prudence war nicht weniger bleich als der Mann selbst, aber ihre Hand war ruhig und ihre Nerven stark. Sie nahm den Arm genauso geschickt ab wie ein Arzt. Der Mann überlebte. Das war Prudence. Es tut mir leid, daß sie nicht mehr ist.« Ihr Blick ruhte noch immer auf Monk, als wolle sie sich vergewissern, daß er ihre Gefühle teilte. »Ich werde ihrer Familie schreiben, um ihr mein Mitgefühl auszudrücken.«
    Monk versuchte sich vorzustellen, wie Prudence im Flackern einer Öllampe über dem blutenden Mann kniete, die Säge in den kräftigen, ruhigen Fingern, das Gesicht konzentriert, während sie in die Tat umsetzte, was sie durch Zusehen gelernt hatte. Er wollte, er hätte sie gekannt. Er empfand es als schmerzlich, daß dort, wo diese tapfere, willensstarke Frau gewesen war, sich jetzt eine dunkle Leere befand. Eine leidenschaftliche Stimme war zum Schweigen gebracht, und ihr Verlust war ebenso hart wie unerklärt.
    Aber das würde sich ändern. Er würde herausfinden, wer sie umgebracht hatte und warum. Er würde für eine Art Rache sorgen.
    »Ich danke Ihnen vielmals, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben, Miss Nightingale«, sagte er etwas

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