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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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früher viel mit Dr. Beck zusammengearbeitet – das ist der ausländische Arzt – und ist dann auf Sir Herbert Stanhope umgestiegen. Er ist der Chef des Ladens. Ausgesprochen fähiger Arzt. Makelloser Ruf, sowohl als Chirurg wie als Mann.«
    In Runcorns Gesicht zuckte es. »Selbstverständlich. Ich habe von ihm gehört. Was ist mit dem anderen Burschen, diesem Beck? Sie hat mit ihm gearbeitet, sagen Sie?«
    »Ja, Sir«, antwortete Jeavis, dessen glatte Züge einen zufriedenen Ausdruck annahmen. »Also mit dem ist das ganz was anderes. Mrs. Flaherty – das ist die Oberschwester, meines Erachtens nach eine über jeden Zweifel erhabene Person – hat Beck und die Barrymore nur wenige Tage zuvor miteinander streiten sehen.«
    »In der Tat?« Runcorn sah gleich zufriedener aus. »Können Sie etwas genauer sein, Jeavis? Was meinen Sie mit ›wenige Tage‹?«
    »Sie war sich nicht sicher, Sir, sonst hätte ich es gesagt«, antwortete Jeavis säuerlich. »Zwei, drei. Sieht fast so aus, als wären in so einem Krankenhaus Tage und Nächte nicht mehr so recht zu unterscheiden, Sir.«
    »Und weshalb haben sie sich gestritten?«
    Evan wurde von Minute zu Minute unwohler, aber ihm wollte kein vernünftiger Protest einfallen, nichts, was sich die beiden angehört hätten.
    »Sie ist sich nicht sicher«, antwortete Jeavis. »Aber sie meinte, es wäre ganz entschieden eine gewaltige Meinungsverschiedenheit gewesen.« Als er sah, daß Runcorn wieder ungeduldiger wurde, beeilte er sich fortzufahren. »Beck sagte: ›Das wird Ihnen auch nichts nützen‹ oder etwas in der Art. Worauf sie sagte, wenn ihr keine andere Möglichkeit bliebe, dann müßte sie sich eben an die Leitung wenden! Und er sagte: ›Bitte, tun Sie das nicht! Ich bin sicher, Sie werden nichts erreichen, wenn überhaupt, so wird es Ihnen nur schaden.‹« Er ignorierte Evans Lächeln über sein »er sagte«, »sie sagte«, aber sein Hals lief rot an. »Und sie sagte darauf noch mal, sie wäre entschlossen und daß sie nichts davon abhalten könnte, worauf er sie noch mal bat. Dann wurde er wütend und nannte sie eine dumme, zerstörungswütige Frau, die durch ihren Eigensinn die Karriere eines guten Arztes ruiniere. Aber sie schrie ihn nur an, stürmte hinaus und schlug die Tür zu.« Jeavis beendete seinen Bericht und sah Runcorn offen an, während er abwartete, welche Wirkung seine Enthüllung auf den Mann hatte. Evan, der Mühe hatte, eine nüchterne Miene zu behalten, ignorierte er einfach.
    Er hätte allen Grund haben sollen, sich zu freuen. Runcorn setzte sich kerzengerade auf, sein Gesicht leuchtete. »Nun, da haben Sie doch was, Jeavis!« sagte er begeistert. »Machen Sie da weiter, Mann! Gehen Sie und reden mit diesem Beck! Nageln Sie ihn fest. Ich erwarte in den nächsten Tagen eine Verhaftung, und zwar mit allen Beweismitteln, die wir für eine Verurteilung brauchen. Aber verderben Sie nicht alles durch einen überstürzten Schritt.«
    Eine gewisse Unsicherheit huschte über Jeavis’ schwarze Augen. »Nein, Sir. Genau das wäre überstürzt, Sir.« Evan hatte fast Mitleid mit Jeavis. Er war sich sicher, daß er gar nicht wußte, was das hieß. »Wir haben keine Ahnung, worum es bei dem Streit ging…«
    »Erpressung«, sagte Runcorn scharf. »Ist doch offensichtlich, Mann! Sie wußte etwas über ihn, was ihm die Karriere ruinieren konnte, und wenn er nicht blechte, würde sie damit zur Verwaltung gehen. So eine Kanaille!« schnaubte er. »Könnte nicht sagen, daß es mir sonderlich nahegeht, wenn es einen Erpresser erwischt. Trotzdem, so was können wir nicht zulassen, nicht hier in London! Gehen Sie los und stellen Sie fest, um was es bei dieser Erpressung ging.« Noch einmal stach sein Finger auf den Schreibtisch ein. »Sehen Sie sich die Vergangenheit des Mannes an, seine Patienten, seine Qualifikation, alles, was sich auftreiben läßt. Überprüfen Sie, ob er jemandem Geld schuldet, den Röcken nachläuft.« Er rümpfte die lange Nase. »Oder den Jungs – wem immer. Ich will mehr über den Mann wissen, als er über sich selber weiß, haben Sie mich verstanden?«
    »Ja, Sir«, sagte Evan grimmig. »Ja, Sir«, sagte Jeavis.
    »Na, denn mal los!« Runcorn lehnte sich lächelnd zurück.
    »An die Arbeit!«
    »Also dann, Dr. Beck.« Jeavis wippte auf den Fußballen, die Hände tief in die Taschen gesteckt. »Einige Fragen, wenn es Ihnen recht ist.«
    Beck sah ihn neugierig an. Er hatte außergewöhnlich hübsche Augen, schön geformt und fast schwarz.

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