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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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Lugos wandte sich mir zu. »Ganz und gar nicht«, sagte er. »Hagere Diebe sterben ebenso gut wie andere Männer.«
    »Ich heiße Easie Damasco«, sagte ich. »Und ich bin noch lange kein Dieb, nur weil ich einmal vor Hunger gestohlen habe.«
    »Wenn kümmert’s? Klar, ich nehme ihn dir ab«, sagte Lugos. Mein Begleiter nickte und kehrte in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren. »Damasco, wie?«, fragte mich der Untersetzte. »Es gibt da einige Regeln, über die du Bescheid wissen solltest. Du tust, was ich dir sage. Ohne Widerrede. Wenn es darauf ankommt, rennst du nicht weg. Und leg dich nicht mit Leon und Salzleck an.«
    »Ich glaube, das kann ich mir merken. Wer sind Leon und Salzleck?«
    »Komm, ich stelle sie dir vor. Dann weißt du, wem du besser aus dem Weg gehst.«
    Er führte mich um das Lagerfeuer herum. Ein oder zwei Männer beschwerten sich, als wir ihnen in der Finsternis auf Hände und Beine traten, aber sie schwiegen sofort, als sie Lugos erkannten. Wir blieben neben dem großen Felsen stehen, den ich zuvor bemerkt hatte. Eine hagere Gestalt saß bei ihm und sah auf, als wir uns näherten. Der Bursche erschien mir recht jung für jemanden, dem offenbar eine besondere Autorität zukam.
    »Das ist Leon«, sagte Lugos, und Leon winkte mir mit einer knochigen Hand zu. »Und das …«, fuhr er fort und zeigte auf die schwarze Masse, an der der junge Mann lehnte. »… ist Salzleck.«
»Was? Hinter dem Felsen?«
    Leon kicherte, und Lugos lachte schallend. Ich fragte mich, was so komisch sein konnte – bis sich der Felsen plötzlich bewegte. Für einen Moment gaben die Wolken den Mond frei, und ich sah eine monströse Hand, jeder Finger so lang wie mein Kopf. Ich sprang zurück, doch Lugos ergriff meinen Arm und schloss die Hand fest darum.
    »Vorsichtig«, sagte er. »Wenn du wegläufst, könnte dich Salzleck für eine leckere Mahlzeit halten.«

2
    D ie Nacht dauerte an. Ich gab mir alle Mühe, nicht daran zu denken, was mich an ihrem Ende erwartete.
    Ein Kartenspiel erschien wie aus dem Nichts, und einer meiner neuen Gefährten schlug vor, ein paar Runden Verirrtes Huhn zu spielen. Innerhalb einer Stunde gelang es mir, meinem Stück Kohl einen Brocken Fleisch unbekannten Ursprungs, einige Kupfermünzen, zwei Laibe Brot und ein kleines, einfaches Messer hinzuzufügen. Normalerweise hätte ein solcher Erfolg meine Stimmung gehoben, doch meine Gedanken gerieten mir immer wieder in den Weg, wie sehr ich das auch zu vermeiden versuchte.
    Ich gelangte zu dem Schluss, dass eine Flucht vielleicht möglich, aber nicht sonderlich ratsam war. Moaradrid mochte vieles sein, aber bestimmt kein Dummkopf. Er wusste, dass die meisten seiner Soldaten lieber woanders wären, und deshalb patrouillierten aufmerksame Wächter überall am Rand des Heereslagers. Ich hörte, wie sie sich mit eher misslungenen Imitationen von Vogelrufen verständigten. Auch im Innern des Lagers gab es zahlreiche Wächter. Ich war so erschöpft, dass die Risiken einer Flucht die möglichen Erfolgsaussichten weit überwogen. Mit anderen Worten: Ich saß hier fest und würde wahrscheinlich meine erste Portion Krieg abbekommen, bevor die Sonne aufging.
    Und das war noch nicht einmal das Schlimmste.
    Nach dem, was ich gesehen hatte, zweifelte ich nicht daran, dass ich auf der Gewinnerseite sein würde. Diese Erkenntnis hätte mich normalerweise ein wenig getröstet, doch hier lagen die Dinge anders. Ich hatte nicht viel für die Obrigkeiten des Castoval übrig, die darauf bestanden, meinen Namen auf Fahndungslisten zu setzen, und keine Mühe scheuten, mich hinter Schloss und Riegel zu bringen, aber andererseits: Das Castoval war meine Heimat, und ich war stolz darauf. Ich wollte nicht erleben, wie es unter die Knute eines Tyrannen geriet. Ich wollte nicht beobachten müssen, wie es von Ungeheuern überrannt wurde.
    Doch genau das schien bevorzustehen. Moaradrid hatte eine Waffe gefunden, gegen die sich die Castovalaner nicht wehren konnten.
    Später, als der Himmel etwas heller geworden war und ein düsteres Holzkohlengrau zeigte, schürte Lugos das Feuer und erhitzte Suppe, die er dann in schmutzigen Holznäpfen verteilte. In einem Anfall von Wohltätigkeit – oder vielleicht Defätismus – teilte ich Brot und Fleisch mit meinen nächsten Kameraden und bekam dafür ein bisschen laue Dankbarkeit. Die meisten von ihnen hatten eine so seltsame Aussprache, dass es sich genauso gut um Fremdsprachen hätte handeln können. Wir waren

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