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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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damit verbunden gewesen, zum Beispiel der Sturz in den Fluss, mein verzweifeltes Bemühen, mich irgendwie über Wasser zu halten, und schließlich das Herauswürgen von grünlichem Wasser, als ich im Uferschlamm lag.
    Für meine Gefährten hingegen war alles halb so schlimm. Estrada erwies sich als ausgezeichnete Schwimmerin, nachdem sie ihre anfängliche Panik überwunden hatte, was ziemlich schnell der Fall war. Und Salzleck marschierte einfach mit seinen großen Füßen über den Grund. Der Anblick seines nach oben gerichteten Gesichts, das von Wellen umspült zum Ufer wippte, wäre unter anderen Umständen vielleicht komisch gewesen. Er schaffte es sogar, unser Boot zu retten: Mit einer Hand zog er es hinter sich her.
    An Land drehten sie es um, setzten sich darauf und straften mich mit Missachtung.
    Da eigentlich gar kein Schaden angerichtet war, hielt ich solche Rachsucht für übertrieben. Estrada gab ihr Schweigen erst auf, als ich entschied, ein Feuer anzuzünden, weil ich es satt hatte, in meinem nassen Mantel auf den Resten eines Baumstamms zu sitzen und zu frieren.
    »Bist du verrückt?«
    Ich starrte sie an. »Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden, weil meine Zähne zu laut klappern. Wenn du mich gefragt hast, ob ich nass bin und friere, so lautet die Antwort: ja.«
    »Du weißt, dass wir kein Feuer anzünden dürfen.«
    »Ich weiß, dass die Soldaten in Casta Canto Späher waren, und inzwischen dürften wir weit vor ihnen sein. Einen ebenso großen Vorsprung haben wir auch den anderen Soldaten Moaradrids gegenüber gewonnen. Deshalb schlage ich vor: Wenn es eine Möglichkeit gibt, nicht zu erfrieren, sollten wir Gebrauch davon machen.«
    »Du redest so, als wäre dies überhaupt nicht deine Schuld.«
    »Und du redest so, als wäre dies nicht geschehen, weil du mich zu Leuten bringen willst, die nichts lieber täten, als mir den Kopf abzuhacken.«
    Estrada seufzte und strich sich mit der Hand durch nasses, schmutziges Haar. »Na schön, meinetwegen, nur zu. Wie dumm von mir zu glauben, du würdest auf jemand anderen hören als dich selbst.«
    »Wenn ich das gelegentlich mache, geht es immer schlecht aus!«, rief ich ihr nach, als sie fortging.
    Verärgert wandte ich mich wieder meinen Bemühungen zu, ein Lagerfeuer zu entzünden. Es war schwer gewesen, trockenes Holz zu finden, und es dauerte ziemlich lange, bis der Haufen aus Gras und Zweigen mehr hervorbrachte als Rauch. Ich juchzte fast vor Freude, als eine erste kleine Flamme zwischen zwei Holzstücken hervorleckte. Ich gab vor, dass das genau meinen Erwartungen entsprach, denn ich fühlte Estradas Blick auf mir ruhen. Anschließend war es nicht weiter schwer, dem hungriger werdenden Feuer mehr Holz hinzuzufügen, bis die Flammen hüfthoch züngelten.
    Ich hatte mich gefragt, was stärker sein würde, Estradas Sturheit oder ihr Wunsch nach Wärme. Zufrieden nahm ich zur Kenntnis, dass sie schließlich näher kam, gefolgt von Salzleck, der erneut das Boot hinter sich herzog. Der abgebrochene Mast folgte dem Skiff wie ein Schwanz.
    »Bist du sicher, dass du am Feuer sitzen möchtest?«, fragte ich und kaute ein Stück nasses Brot, das ich in einer meiner Manteltaschen gefunden hatte. »Ich rechne jeden Augenblick mit dem Eintreffen von Moaradrids Heer.«
    »Ja, Damasco, ich möchte mich an deinem Feuer wärmen, wenn es dir recht ist.«
    »Natürlich ist es das, Bürgermeisterin Estrada.«
    »Und vielleicht«, fügte Estrada mit einem Blick auf Salzleck hinzu, »können wir alles andere auf später verschieben.«
    Damit meinte sie: Lass uns vor dem Riesen nicht streiten.
    Ihr Tonfall rief in mir eine Erinnerung an meinen Vater wach, wie er zu meiner Mutter sprach, wenn sie nach einer durchfeierten Nacht heimkehrte und sich über irgendetwas Unwichtiges aufregte. Der kleine, schüchterne Mann hatte ihr zugehört und dann sanft gesagt: »Lass uns später darüber reden, Schatz.«
    Der ersten Vision folgte eine zweite und zeigte mir Estrada und mich selbst, wie wir mit den freudigen Gesichtern stolzer Eltern an einer riesigen Krippe standen, in der ein sabbernder Salzleck lag.
    Ich schauderte.
    Wie dem auch sei, mir stand nicht der Sinn nach weiteren erzwungenen Versöhnungen – der Mund tat mir noch von der letzten weh. Ich rang mir ein Lächeln ab und sagte: »Natürlich.«
    Außerdem hatte ich ganz andere Sorgen. Das aufgeweichte Brot hatte mich erst richtig hungrig gemacht, und leider waren meine Vorräte im Fluss verschwunden. Ich fühlte mich

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