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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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genau in diesem Augenblick deutete einer der Soldaten in unsere Richtung. »Oh, Mist«, fügte ich hinzu. »Wir sind sicher, solange sie …«
    Der erste Pfeil fiel neben uns ins Wasser.
    »Salzleck!«, rief Estrada und warf ihm die Ruder zu.
    Er starrte die beiden Schäfte an, als hätte ihm Estrada zwei lebende Schlangen gereicht. Ein zweiter Pfeil zerbrach an unserem Heck, und die Bruchstücke flogen an uns vorbei.
    »Ruder!«
    Estrada schien der Verzweiflung nahe zu sein. Salzleck wirkte zwar ebenfalls sehr beunruhigt, rührte aber nicht einen Finger. Ein dritter Pfeil streifte den Mast dicht über uns.
    Ich blickte auf Salzlecks große Hände, die sich um die Ruder geschlossen hatten, und dachte dabei an Estradas Worte.
    Wie oft geschah es, dass Riesen ruderten?
    »Man macht es so.« Ich ahmte die Bewegungen nach. Weitere Pfeile verschwanden um uns herum im Fluss, während Salzleck mich anstarrte. Dann verstand er offenbar. Sein erster Ruderzug hätte fast die Dollen aus dem Holz gerissen, und das Skiff sprang nach vorn. Beim zweiten ging Salzleck etwas vorsichtiger zu Werke, und beim dritten hatte er gelernt, seine Kraft richtig zu nutzen.
    »Sie sind noch immer zu nahe«, stöhnte Estrada.
    Das stimmte. Unsere plötzliche Bewegung machte den Bogenschützen zu schaffen, aber es dauerte bestimmt nicht lange, bis sie sich eingeschossen hatten. Wir waren zu schwer für das Skiff; es lag zu tief im Wasser. Deshalb konnten wir trotz Salzlecks Kraft nicht schnell genug werden.
    Aber warum schoss niemand mehr auf uns?
    Ich wagte einen neuerlichen Blick, und was ich sah, war so überraschend, dass ich mich umdrehte, trotz des Risikos, dass wir dadurch sanken. Chaos herrschte auf der Fähre. Auf der einen Seite hatten die Pferde die Reling in Kleinholz verwandelt; zwei von ihnen waren bereits in den Fluss gefallen. Auf der anderen hatte es weniger als die Hälfte von Moaradrids Männern geschafft, an Bord zu bleiben. Die anderen schwammen zwischen den Pferden oder klammerten sich am Rand der Fähre fest.
    Ich fragte mich verwundert, was der Grund für ein solches Durcheinander sein mochte – bis mir auffiel, dass die Kette durchhing und die Fähre in der Strömung schwer daran zog. Mein Blick folgte der Kette bis zum schwarzen Rauch, der hinter den Hafengebäuden aufstieg. Ich erinnerte mich an den Holzturm mit dem Flaschenzug-Mechanismus. Ein gewaltiges Krachen hallte plötzlich über den Fluss, und es stieg noch mehr Rauch auf. Die Kette sackte durch und fiel ins Wasser. Von ihr befreit, wählte die Fähre den Weg des geringsten Widerstands und glitt mit der Strömung nach Norden, zehnmal schneller als zuvor. Die wenigen noch an Bord verbliebenen Passagiere, Menschen wie Pferde, gelangten zu dem Schluss, dass es besser war, zum nächsten Ufer zu schwimmen.
    In weniger als einer Minute war alles vorbei. Ich hatte gerade erst begriffen, was geschehen war, als die Kette auf dem Grund des Flusses lag und die Fähre hinter der nächsten Biegung verschwand. Ich sah nur noch den aufsteigenden Rauch und die zum Ufer schwimmenden Menschen und Tiere im Fluss. Konnte dies alles Zufall sein? Wohl kaum.
    Ich bemerkte Reiter und verstand. Es waren sechs, und sie ritten hintereinander, die Schwerter gezogen, hielten direkt aufs Ufer zu. Dort, wo Casta Canto an den Wald grenzte, wandten sie sich zur Seite, ohne dabei langsamer zu werden, und einen Moment später waren sie zwischen den Bäumen verschwunden.
    Sie waren ziemlich schnell gewesen, und ein ganzes Stück entfernt. Ohne ein ganz bestimmtes Detail hätte ich sie vermutlich nicht erkannt. Nur für eine Sekunde hatte der Anführer in unsere Richtung gesehen, lange genug, um mir eine schwarze Augenklappe zu zeigen.
    Castilio Mounteban hatte uns erneut das Leben gerettet.

13
    H inter Casta Canto wurde das Wasser klar und ruhig. Am Ufer streckten Weiden ihre Zweige dem Fluss entgegen. Wasservögel schwammen dort, verschwanden an einer Stelle hinter den grünen Vorhängen und kamen an einer anderen wieder zum Vorschein. Gelegentlich begegneten wir anderen Booten, vor allem Lastkähnen mit Fracht von und nach Altapasaeda. Der Anblick von zwei Personen in einem Skiff, das sich nur knapp über Wasser hielt und von einem Riesen gerudert wurde, brachte uns erstaunte Rufe oder nur verblüfftes Glotzen ein.
    Wenn wir den Fluss für uns ganz allein hatten, hörten wir nur den Wind in den Baumkronen und das rhythmische Platschen der Ruder. Nach dem Zwischenfall mit der Fähre hatte

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