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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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aber ich konnte ihm nicht ernsthaft böse sein.
    »Wenn sie trotz allem nicht verkauft«, sagte ich ernst, »dann stehle den Brief. Wenn du darüber hinaus nichts Eindeutiges über Lady Dudleys Tod herausfindest, dann lass Blount in Cumnor und begib dich nach Kew. Versuche, dich mit my lord Dudleys Leuten anzufreunden, um etwas aus ihnen herauszubekommen. Stell ihnen notfalls viel Geld in Aussicht.«
    John Frobisher verabschiedete sich, und ich machte mich auf den Weg in die Küche, um sicherzustellen, dass die Königin nicht wieder ihr Mittagessen ausfallen ließ. Um was ich meinen Spion noch bitten würde, wenn all seine Nachforschungen mir nicht die richtige Waffe in die Hand legten, das wusste ich nicht. Elizabeths »Mord ist Mord« von gestern klang mir in den Ohren, und meine Überzeugung, nicht das Recht zu haben, einem anderen Menschen das Leben nehmen zu lassen, wurde immer fester, aber ich dachte auch daran, wie schlimm die Zukunft für mein Mädchen sein konnte, wenn Robin Dudley sich nicht auf ihre unerhörte Vorstellung einließ und versuchte, sie zu einer Ehe zu zwingen. Gerade weil sie ihm vertraute, würde es für ihn nicht schwer sein, alles in seinem Sinn zu gestalten. Als ich noch jung war, hatte mehr als ein Glücksritter eine reiche Erbin einfach dadurch als Ehefrau errungen, dass er sie mit Gewalt nahm und danach einen Priester zur Hand hatte. Ganz gleich, wie entsetzt die Familie einer solchen Erbin war, sie konnte nicht dagegen sprechen. Nun war Elizabeth ganz sicher keine einfache reiche Erbin, sondern eine Königin – aber eben auch eine Frau.
    Ich war noch dabei, die Köche zu instruieren, als Frobisher erneut auftauchte. Ich erschrak, als ich die Blutspuren an seinem Hals sah, und zog ihn schnell in den Flur, wo wir reden konnten. Er verkündete mir aufgeregt, auf Tom Blount sei ein Überfall verübt worden.
    »Und ich fürchte«, setzte er hinzu, »mit meiner Maskerade ist es auch nicht mehr weit her. Es tut mir leid, Mistress Ashley, aber er dachte, ich arbeite für Master Cecil, und was er davon hält, das könnt Ihr sehen.« Er deutete auf die Spuren an seinem Hals. »Ich musste Euren Namen nennen! Er ist aber trotzdem bereit, mich wieder mit sich nach Cumnor zu nehmen, und darauf kommt es doch an, nicht wahr?«
    Warum war Blount bereit, meinen Mann an seiner Seite zu dulden? Aber solange es für John immer noch die Möglichkeit gab, Pirto diesen Brief abzunehmen, wollte ich mir darüber noch keine Gedanken machen. Ganz im Gegensatz zu etwas anderem. »Wer hat Blount überfallen?«, fragte ich John, doch seine Beschreibung sagte mir nichts. Immerhin gab mir der Überfall zu denken, und auch, dass Blount John Frobisher für Cecils Spitzel gehalten hatte. Darum änderte ich kurz entschlossen meine Pläne für den Nachmittag. Es war, sagte ich wenig später zu Catherine Carey, die in meiner Abwesenheit die erste unter den Hofdamen war, schon zu lange her, dass ich meine liebe Freundin Mildred besucht habe, und an den Hof kam sie kaum, da ihre Kinder sie so in Anspruch nahmen.
    »Ihr wollt tatsächlich Sir William Cecils Gemahlin aufsuchen?«, fragte Catherine Carey mit einem Unterton, der halb zweifelnd, halb belustigt klang. Sie war Mary Boleyns Tochter, Anne Boleyns Nichte, und erinnerte mich in diesem Moment sehr an beide.
    »Sie mag auch dies sein, aber vor allem besuche ich natürlich eine liebe Freundin«, entgegnete ich.

    William Cecils Stadtsitz befand sich in Westminster, was von Windsor aus auch mit dem Ruderboot einige Zeit in Anspruch nahm. Immerhin standen die Gezeiten günstig. Die Themse war voller Segelboote, Barken, Flöße, Ruderboote so wie meines, aber natürlich auch großer Lastschiffe. Wenn es nicht gerade regnete, war dies die beste Möglichkeit, um in dieser Gegend von einem Ort zum anderen zu gelangen. Als ich noch ein Mädchen war und im Kloster Sprachen lernte, weil mein Vater aus mir eine Äbtissin machen wollte, da las ich Beschreibungen der Stadt Venedig, doch ich konnte mir nicht vorstellen, wie Menschen ständig mit Booten so selbstverständlich wie zu Fuß oder hoch zu Ross unterwegs sein sollten, bis ich nach London kam und in die Residenzen, die der alte König rund um die Stadt bewohnte.
    Auf dem Fluss weht immer ein frischer Wind, und ich hatte mir ein wärmendes Schultertuch mitgenommen. Ich war froh, dass der Tower von Westminster noch weit genug entfernt war, dass sich nicht mehr als der Umriss der London Bridge abzeichnete. Am Südende der

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