Im Schatten der Königin: Roman
die er und sein Sekretär gerade nicht mit sich führten. Das war der eigentliche Grund meines Kommens. Seit meinem Gespräch mit ihm wollte mir nicht aus dem Kopf, dass es ihm einfach nicht ähnlich sah, nicht schon längst etwas unternommen zu haben, und dass ich vielleicht den falschen Mann für die größere Gefahr hielt.
Die einzelnen Schubladen in Cecils Tisch waren, wie nicht anders zu erwarten, abgesperrt, aber ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, wie man ein Schloss mit einer Haarnadel öffnete. Meine Hand war feucht, und ich rutschte ein-, zweimal aus, aber dann gelang es mir, und ich fand Stöße von Briefen. Das war ein Problem: Ich konnte nicht zu lange hier verweilen, sonst würde Mildred sich fragen, wo ich blieb. Ich konnte die Briefe aber auch nicht mitnehmen, denn das würde Cecil merken. Also begann ich mit klopfendem Herzen, die Schreiben zu überfliegen und nur nach Erwähnungen von Robin Dudley oder seiner Gemahlin Ausschau zu halten, nur nach den Namen, ohne auf den Inhalt zu achten.
Als sich auf dem Gang Schritte näherten, erstarrte ich. Hitze stieg mir in die Wangen, und ich war wie gelähmt. Es blieb keine Zeit, den Brief zurückzulegen, und keine Erklärung der Welt konnte darüber hinwegtäuschen, was ich hier gerade tat. Verzeih mir, Elizabeth, schoss es mir durch den Kopf, und für einen Moment vergaß ich, zu atmen.
Dann hörte ich, dass sich die Schritte wieder entfernten, und vor Erleichterung wurden meine Knie weich. Doch ich durfte dem Wunsch, mich für einen Moment hinzusetzen und durchzuatmen, nicht nachgeben. Mein Blick flog weiter über Seite um Seite, und endlich fand ich einen Brief, in dem mir ein nur zu vertrauter Name entgegensprang. Ich begann, ihn konzentriert von Anfang an zu lesen.
Zuerst war ich enttäuscht, denn ich merkte, dass das Schreiben nicht von Cecil stammte und auch nicht an ihn gerichtet war. Nein, es war die Übersetzung einer Depesche des spanischen Botschafters an seinen Herrn, König Philipp, die Cecils Leute wohl abgefangen und abgeschrieben hatten. Was der spanische Botschafter zur Politik schrieb, ging mich nichts an; sich darum zu kümmern, war in der Tat Cecils Aufgabe. Doch dann erreichte ich den Absatz, in dem mir der Name Robert Dudley aufgefallen war.
Was ich dort las, vertrieb mit einem Schlag die Hitze aus meinem Gesicht und ließ mich zu Eis erstarren.
Kapitel 13
Freitag, 13. September 1560
I ch erinnere mich noch gut an jenen Abend, einige Wochen nachdem ich mit Amy Dudley in Kidderminster eingetroffen war; viel zu gut. Es war ungewöhnlich warm für den Frühling und alles andere als leicht, die Jungen ins Bett zu bekommen. Mein jüngerer Sohn, Christopher, hatte darauf bestanden, vor dem Einschlafen die Geschichte von Sir Gawain und dem grünen Ritter zu hören. Edward, der ältere, war hingegen still gewesen, obwohl er früher stets Fragen nach jedem Schwertstreich gestellt hatte, den Sir Gawain führte. Doch seit er mich nach meiner Rückkehr zunächst stürmisch begrüßt hatte, schien es für ihn nur noch eins zu geben, was er von mir wissen wollte: wann Lord Robert mich wieder benötigte und ich erneut fortgehen würde. Er sprach die Frage nur einmal aus, aber ich sah sie seitdem jeden Tag in seinen Augen. Was, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, dazu führte, dass ich ihn so gut es ging übersah.
Während ich den Jungen die alte Sage erzählte, öffnete sich hinter mir die Tür. Ich nahm an, dass Margery sich zu uns gesellen wollte, doch der schwache Rosenduft, der mich streifte, war keiner, den meine Gemahlin je benutzt hatte. Trotzdem drehte ich mich nicht um, sondern erzählte weiter. Die Jungen schauten zuerst neugierig über meine Schulter hinweg, aber weil sie nichts zu ihnen sagte, verloren die beiden schnell das Interesse an dem unerwarteten Gast. Für Christopher und Edward gab es nur noch Gawain und seine Abenteuer, bis ihnen die Augen zufielen und ich sie ihren Träumen überließ.
Ich wünschte, ich könnte dies auch von mir sagen.
Amy wartete im Gang auf mich. Sie hielt eine Kerze in der Hand, da das Haus bereits in Dunkelheit versunken war. Ihre Haare fielen offen über ihre Schultern, statt unter einer Haube geordnet und verborgen zu sein. Das blaue Kleid, das sie trug, sah in dem spärlichen Licht schwarz aus, ihr Gesicht dagegen sehr hell, genau wie die Ärmel aus Spitze. Es war ein seltsam intimer Anblick; offene Haare waren etwas, was ich nur mit Margery in der Zweisamkeit unseres Bettes in
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