Im Schatten der Königin: Roman
Würde, die in ihren einfachen Worten lag, hatte Amy nie gezeigt. Margery klagte nicht an, sie stellte fest, und doch wusste ich so genau, als hätte sie es an die Wand geschrieben, wenn ich jetzt darauf beharrte, Amy weiter im Haus zu behalten, dann würde ich Margery verlieren. Gewiss, eine Ehefrau verließ ihren Gatten niemals, aber sie würde in jeder Weise, die zählte, aufhören, meine Gemahlin zu sein. Sie würde mir nicht mehr vertrauen, sie würde mich nicht mehr respektieren, wir würden nur noch ein Mann und seine Haushälterin füreinander sein, und das hatte ich nie gewollt.
»Ein Mann weiß das«, hörte ich Margery auch jetzt in meiner Erinnerung sagen. Um den Geschmack der Schuld aus meinem Mund zu vertreiben und weil ich einen ganz bestimmten Argwohn hatte, was meine unliebsame Bekanntschaft mit dem Boden betraf, stattete ich einem alten Freund noch einen Besuch ab.
»Tomàs!«, rief Diego und klang überrascht, doch nicht auf unangenehme Weise. »Bringt Ihr mir noch einmal Pasteten?«
Meine Hände waren leer; ich drehte die Handflächen gen Himmel, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und erwiderte: »Um offen zu sein, hatte ich darauf gehofft, dass Ihr diesmal derjenige sein würdet, der austeilt, Diego. Ein Abschiedstrunk wäre willkommen. Es wird eine kalte Herbstnacht werden, und ich muss nach Abingdon zurückkehren. Wer weiß, wie weit ich heute noch komme. Ein guter Tropfen würde mir den Magen wärmen.«
»Ah, aber dann muss es ein spanischer Tropfen sein«, sagte Diego. »Was Ihr in diesem Land als Wein bezeichnet, ist ein geschmackloses Gepansche, und mit Eurem Ale und Bier sollte man Verbrecher bestrafen. Gebt zu, dass ich recht habe, Tomàs.«
»Wenn Ihr den Wein herausrückt, dann vielleicht. Doch ich muss Euch sagen, die verfluchten Franzosen mögen zwar alle von Gott verlassen sein, aber ihr Wein lässt sich nicht verachten. Er war das Einzige, was mir die Zeit dort erträglich gemacht hat. Und die italienischen Doctores, die unbedingt my lords Patronage für ihre Schriften haben wollen, die schwören sogar darauf, dass der Wein aus ihrem Land Wunder wirkt und schlimmste Gebrechen heilt. Also weiß ich nicht recht, ob ich ausgerechnet Eurem Land die Krone des Weines geben soll. Ich brauche neue Beweise, mein Freund.«
»Die Suche nach Beweisen kann eine gefährliche Angelegenheit sein«, entgegnete Diego, doch er nahm ein Silberfläschchen, das von seinem Gürtel hing, trank daraus und reichte es mir. »Kann es sein, dass Ihr ein wenig krumm geht, mein Freund? Kostet etwas Weißwein aus Jerez. Es gibt nichts Besseres.«
Damit übertrieb er natürlich heillos, aber sein Wein lief mir tatsächlich wohlig über die Zunge. Er schmeckte nach Mandeln, nach Hefe und ein wenig nach Haselnüssen; wie das zustande kam, wussten natürlich nur die Spanier. Es galt außerdem Wichtigeres herauszufinden.
»Was soll ich Euch sagen, Diego«, versetzte ich, »ein Mann, der niedergeschlagen wird, gerade nachdem er dem Sekretär des einflussreichsten Mannes bei Hofe einen Besuch abgestattet hat, der wird natürlich geneigt sein, zu glauben, dass der Sekretär oder dessen Herr dahinterstecken. Zumal, wenn der Herr des Sekretärs der größte Feind seines eigenen Patrons ist.« Ich nahm noch einen Schluck. Das, was bei uns als Wein verkauft wurde, war wirklich nicht so gut. »Es sei denn, so ein Mann ist kein Grünschnabel mehr und erinnert sich an zwei Dinge: William Cecil ist nicht dafür berühmt, dass er Stümper beschäftigt. Wenn jemand, der Cecil dient, die Aufgabe hat, einen anderen Mann zu erledigen, dann schlägt er ihn nicht einfach nieder und lässt sich dann von einem kümmerlichen Springinsfeld verscheuchen, und vor allem tut er das nicht in der Nähe der Ställe, wo jederzeit jemand vorbeikommen kann. Wenn allerdings eine dritte Partei die Aufgabe hat, Zwietracht und Misstrauen zwischen dem wichtigsten Ratgeber der Königin und ihrem besten Freund zu sähen, vielleicht gar, einen der beiden zu unklugen öffentlichen Anschuldigungen gegen den anderen zu veranlassen, ja, dann wäre es mehr als sinnvoll, solch einen Angriff vorzutäuschen und sicherzugehen, dass der Angegriffene hinterher noch in der Lage ist, seinem Patron empört davon zu berichten.«
Diego sagte nichts, als ich ihm sein Silberfläschchen zurückgab. Seine Mundwinkel zuckten.
»Und wem ist wohl am meisten gelegen daran, dass die beiden einflussreichsten Männer bei Hofe sich gegenseitig kaltstellen? Es wird doch
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