Im Schatten der Königin: Roman
Prioritäten nichts verstanden.
»Ich habe zumindest keinem Mädchen das Leben ruiniert und es gezwungen, sein Kind zu ermorden«, sagte ich grimmig, doch sie rollte die Augen gen Himmel.
»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte sie scharf. »Wisst Ihr denn so genau, was aus jeder Frau geworden ist, die so unklug war, Euch zu erhören? Ich wette, Ihr wisst es von keiner einzigen, außer von Margery und Amy Dudley. Wenn in Frankreich ein kleiner Bastard greint, der Euer hässliches Gesicht geerbt hat, oder nie geboren wurde, weil seine Mutter verhungert wäre, wenn sie nicht zu einer Engelmacherin gegangen ist, um weiterhin ihr Gewerbe ausüben zu können, wisst Ihr dann darüber Bescheid? Doch wohl nicht. Also versucht erst gar nicht, Euch auf irgendein nicht vorhandenes hohes Ross zu setzen, oder wir sind geschiedene Leute.«
Ich biss mir gerade noch auf die Zunge, ehe ich sagen konnte, dass wir zum Glück nie Eheleute gewesen waren. In einem Punkt hatte sie recht: Ich wusste es wirklich nicht. Aber das spielte hier und jetzt keine Rolle. Im Übrigen war mein Gegenüber zum Glück endlich von meinen Charakterfehlern zu den entscheidenden Fragen übergegangen, die sich uns stellten.
»Ich kenne das Cross-Mädchen nicht«, sagte Edith Odingsells nachdenklich. »Mein Seliger war noch am Leben, und die Forsters haben stets uns besucht, nie umgekehrt. Aber ich weiß wohl, dass meine Schwägerin Agnes Cross nie wohlgesinnt war, und ich weiß, dass sie nicht my lady Dudleys wegen zu ihrer Schwester nach Suffolk gegangen ist.«
»Hat sie sich Euch anvertraut?«
Edith Odingsells schüttelte den Kopf.
»Wie könnt Ihr dann da sicher sein?«
»Tom Blount«, entgegnete sie ernst, »seid nicht dumm. Auch wenn so etwas für einen Mann unmöglich ist, versucht wenigstens ein einziges Mal, Euch in eine Frau hineinzudenken. Wenn Alice Forster es übelnimmt, auf einmal nicht die höchstgestellte Frau in ihrem Haushalt zu sein, warum sollte sie dann zu ihrer Schwester gehen, wo sie auch nur die Zweite sein kann? Ihr mögt Elaine nicht kennen, aber ich schon. Was meint Ihr denn, warum ich hier lebe und nicht in Suffolk, wenn ich die Wahl zwischen zwei Schwägerinnen habe?«
Das klang nachvollziehbar und passte im Übrigen zu meinen eigenen Theorien. Aber ehe ich das sagen konnte, fuhr sie fort: »Nur kenne ich auch Anthony Forster, und obwohl ich wahrlich bereit bin, zu glauben, dass er seinen Hosenlatz nicht zugeschnürt halten konnte, kann ich mir nicht denken, dass er eine Magd, die schwanger wird, nicht genauso behandelt, wie Ihr das tun würdet. Dies ist eine ungerechte Welt, und niemand würde ihm einen Bastard übelnehmen, wenn er seine Buße dafür einmal gezahlt hat. Dem Mädchen, ja, aber nicht ihm. Es wäre so viel einfacher für ihn gewesen. Aber eine Engelmacherin aufzutreiben und zu bezahlen, das Mädchen vorgeben zu lassen, es sei besessen, all die Neugier der Menschen zu riskieren und ein paar Jahre später dann irgendwelche Knechte links und rechts umzubringen? Das will mir nicht in den Kopf.«
»Er hat es nicht geleugnet, als ich es ihm ins Gesicht gesagt habe«, meinte ich ärgerlich. »Außerdem hat er Frobisher wohl kaum aus Nächstenliebe irgendwo eingesperrt.«
»Oh, natürlich, dann muss es stimmen …« Sie schnalzte amüsiert mit der Zunge. »Aber Ihr habt auch nicht geleugnet, dass Ihr der Männerliebe frönt, als er Euch das unterstellte. Dann muss dies wohl auch stimmen. Die arme Margery!«
Sie konnte lächeln, Edith konnte es wirklich. Aber natürlich musste es ein hämisches Lächeln sein und eins über mich. In der Tat, die Prügelei war harmlos gegen ihren Spott gewesen.
»Wollt Ihr mir wirklich weismachen, Forster hätte nur aus herrschaftlicher Fürsorge gefordert, dass ich mit keinem Menschen namens Cross mehr spreche?«
Edith Odingsells ließ sich auf einen Schemel sinken und betrachtete mich beinahe mitleidig. »Nein, natürlich nicht. Ich meine nur, dass er vielleicht etwas anderes verbergen will als das, was Ihr meint, genau, wie Ihr nicht wolltet, dass er von Eurem Ehebruch mit unserer Toten erfährt und lieber in Kauf genommen habt, dass er Euch unterstellt, es mit Eurem Diener zu treiben. Das war übrigens ein Glück für Euren Gaukler: Wer weiß, ob Forster ihn sonst am Leben gelassen hätte. Wenn Ihr mich fragt, und das tut Ihr, dann solltet Ihr zuerst versuchen, Frobisher zu finden. Er hat möglicherweise den Schlüssel zu allem, und selbst, falls nicht: denkt einmal in Eurem
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