Im Schatten der Königin: Roman
tun?
Die Schlussfolgerung, die ich zog, zog ich schnell, doch sie brannte mir im Magen wie glühendes Eisen: Ich brauchte einen Verbündeten, dem ich die gesamte Wahrheit beichten musste, damit wir Erfolg hatten, und ich brauchte diesen Verbündeten sofort. Wenn ich mir nur einen verlässlichen Mann aus Kew mitgenommen hätte, stünde ich jetzt besser da. Selbst Frobisher wünschte ich mir nun an meine Seite, trotz seines losen Mundwerks und seiner geteilten Loyalitäten. Bisher hatte er sich immer aufgeweckt und einfallsreich angestellt, und genau das brauchte ich jetzt: einen Verbündeten, den Forster nicht einschüchtern konnte, den Appleyard nicht einschüchtern konnte, ja, der auch von Robin nicht eingeschüchtert werden konnte und der trotzdem auf gar keinen Fall im Dienst Cecils stand. Jemand, der sich gründlich in Cumnor Place auskannte. Jemand, von dessen Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit ich überzeugt war.
Leider traf all das nur auf eine einzige Person zu. Ich kannte sie seit meiner Kindheit, und die herzliche Abscheu zwischen uns war nie so groß gewesen wie seit meiner Ankunft in Cumnor Anfang der Woche.
Mit der bitteren Überzeugung, dass meine Prügelei mit Anthony Forster nur ein Vorspiel gewesen war für das, was nun folgen musste, machte ich mich auf die Suche nach Edith Odingsells.
Kapitel 15
Samstag, 14. September 1560
D er verstorbene Odingsells war der Bruder von Anthony Forsters Gemahlin gewesen. Mir war nicht bekannt, ob er Forster vor seinem Tod nahegestanden hatte; was Edith Odingsells betraf, konnte ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass sie für ihren Gastgeber mehr als ein Minimum an Familienloyalität übrighatte, und selbst die galt gewiss eher seiner Gemahlin. Das sollte mein Ansatz sein, doch ich kam nicht dazu, ihn zu nutzen, weil Mrs.Odingsells, die ich bei Mrs. Owen fand, mich gleich als Erstes fragte, ob ich nicht damit beschäftigt sein sollte, Amy in ein zeitweiliges Grab zu bringen, nachdem ich die arme Pirto deswegen derartig angebrüllt hätte.
»So sind sie, die Männer«, sagte sie zu Mrs.Owen, die milde lächelte und wohl einen der Tage hatte, an denen sie nichts verstand, was zu ihr gesagt wurde. »Nutzen jede Gelegenheit, um sich aufzuspielen und uns Frauen herumzukommandieren, aber in neun von zehn Fällen ist es ein Getöse um nichts. Aber natürlich kann man immer darauf wetten, dass sie Gelegenheit finden, sich zu prügeln, ganz gleich, wie eilig sie es angeblich mit anderen Dingen haben.« Sie wandte sich von Mrs.Owen ab und musterte mich und meine Blessuren von oben bis unten. » Wie alt seid Ihr jetzt?«
Ein Fehler, dachte ich, ich bin dabei, einen weiteren fürchterlichen Fehler zu machen. Sie war ein grässliches kleines Mädchen gewesen, das zu einer unangenehmen Frau geworden war, und ihre Gewohnheit, zu allem und jedem ständig die Meinung zu sagen, ganz gleich, wie angemessen der Zeitpunkt war, machte sie noch lange nicht zu der Verbündeten, die ich suchte.
Doch es gab niemand anderen.
Also biss ich die Zähne zusammen, sprach Mrs.Owen meinen Respekt aus und teilte Edith Odingsells mit, ich müsse dringend mit ihr reden, alleine. Ich rechnete mit einer höhnischen Bemerkung darüber, dass ich sie bereits vor einer Stunde hätte alleine sprechen können. Stattdessen wanderten ihre Augenbrauen in die Höhe. Sie legte das Buch nieder, aus dem sie Mrs.Owen gerade vorgelesen hatte, erhob sich, küsste die alte Dame auf die Wange, packte meinen rechten Arm und zerrte mich aus dem Zimmer.
Sie sagte kein Wort, bis wir ihr eigenes Gemach erreicht hatten.
»Tom Blount, nichts Geringeres als Euer Leben muss auf dem Spiel stehen, wenn Ihr in so einem Ton ein Gespräch unter vier Augen mit mir sucht. Also, was habt Ihr getan, Ihr Unglücksmensch?«
»Das Leben von manch anderem steht auf dem Spiel«, entgegnete ich wütend, aber dann gemahnte ich mich, dass es keinen Sinn hatte, weiter Zeit zu verschwenden, und erzählte ihr die Wahrheit, so kurz und knapp dies möglich war. Wenn ich die Geschichte von ihrem Schwager Anthony und der Magd mehr betonte als den Umstand, dass Amy mir möglicherweise einen Brief geschrieben hatte, in dem von unverwandtschaftlichem Verhalten die Rede war, dann nur, weil das eine sie gewiss mehr betraf als das andere.
»Da seid Ihr Euch also großartig vorgekommen als Tröster in der Not, aber Ihr seid nun nicht bereit, die Zeche dafür zu zahlen, wie?«, sagte Mrs.Odingsells und bewies einmal mehr, dass Frauen von
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