Im Schatten der Königin: Roman
einem Tag wie heute, wo bereits eine Prügelei hinter mir lag, mochte es sehr wohl sein, dass ich ihm kein gleichwertiger Gegner war. Verflucht und dumm, dass ich mir keine eigenen Knechte mitgenommen hatte, nur, um mir keine Mitwisser oder Cecil-Spitzel aufzuhalsen!
Außerdem muss ich gestehen, dass die Vorstellung, ihn oder Pirto gegen Edith Odingsells antreten zu lassen, mich mit einer gewissen Schadenfreude erfüllte.
Angenommen, sie hatte recht, was Frobishers Versteck betraf, dann brauchte ich mir um meinen Weg zum Ziel keine Sorgen machen. Eine Tür ließ sich abschließen; Anthony Forster hatte gewiss niemanden als Wache abgestellt, um Neugierige nach dem Warum fragen zu lassen. Natürlich gab es immer noch die Möglichkeit, dass er bei einer Befreiung Frobishers entschied, seine Geheimnistuerei aufzugeben und seinem Gesinde befahl, mich mit meinem Diener gefangen zu setzen oder uns gar die Kehle durchzuschneiden, aber im Grunde glaubte ich nicht, dass er dazu bereit war. Mein plötzliches Verschwinden würde er Robin erklären müssen. Wenn er etwas nicht gebrauchen konnte, dann noch mehr gerichtliche Untersuchungen auf seinem Grund und Boden und die Feindschaft von Robin Dudley. Nein, er würde vermutlich versuchen, mich mit der Drohung zu erpressen, der Welt alles über meine eigenen sündigen Neigungen zu erzählen. Dass er dabei mit seinen Vermutungen genau in die falsche Richtung zielte, war beruhigend.
Was ich jetzt noch brauchte, war ein Brecheisen. Oder den Schlüssel, aber um den konnte ich kaum bitten.
Warum eigentlich nicht, dachte ich, als mir mein unausgeschlafener, vielgeplagter Verstand eine verrückte Idee eingab. Warum eigentlich nicht.
Claire Latimer war noch dabei, das Speisezimmer von den Spuren meines Kampfes mit ihrem Herrn zu reinigen, und errötete, als ich eintrat. »Es gibt ein Gastmahl heute Abend«, sagte sie, »für Lady Norris. Sie hat einen Boten vorausgeschickt, um ihr Eintreffen anzukündigen.« Es lag ein Hauch von Vorwurf in ihrer Stimme, oder vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Jedes längere Gespräch mit Edith Odingsells pflegte diese Wirkung auf mich zu haben: Hinterher bildete ich mir immer ein, Anklagen in den Stimmen aller Frauen zu hören.
Nun hatte mir Robin zwar gesagt, dass er nicht nur John Appleyard, sondern auch Amys Freunde nach Cumnor eingeladen hatte, damit sie alle Gelegenheit fanden, Fragen über Amys Tod zu stellen und an ihrer Beerdigung teilzunehmen. Aber es überraschte mich, dass die erste Freundin, die eintraf, ausgerechnet Lady Norris war. Lady Norris und ihr Gatte hatten Amy kaum gekannt; die Freundschaft zu Robin und den übrigen Dudleys war erst nach der Krönung der jetzigen Königin entstanden. Rycote, wo die Norris lebten, wenn sie nicht bei Hofe waren, war von Robin als nächster Wohnort für Amy vorgeschlagen worden, als ich andeutete, mein Heim in Kidderminster sei vielleicht nicht mehr geeignet. Amy hatte sich geweigert. »Ich bin nicht so unwissend, wie er glaubt. Die Norris sind ihre Günstlinge. Der Vater von Henry Norris war einer von den fünf Männern, die mit Anne Boleyn als ihre Liebhaber hingerichtet wurden, deshalb bevorzugt die Königin sie. Sie war sogar schon in Rycote zu Gast gewesen. Wenn ich schon nicht bei Hofe leben kann, dann an einem Ort, wo sie noch nie ihren Fuß hingesetzt hat. Niemals werde ich ihre abgelegten Kleider tragen!«
Doch wenn Lady Norris als erster Trauergast nach Appleyard auch eine überraschende Wahl war, so war sie doch willkommen; ihre Anwesenheit würde sicherstellen, dass Forster andere Dinge zu tun hatte, als sich um Frobisher oder mich zu kümmern. Immerhin war er der Gastgeber und sie eine Edeldame, die bekanntermaßen in der Gunst der Königin stand.
»Mein Kind«, sagte ich so wohlwollend und besänftigend wie möglich zu Claire Latimer, »du darfst gewiss sein, dass sich der Vorfall von vorhin nicht wiederholen wird. Ich möchte dich nur um etwas bitten. Du hast vielleicht gehört, dass ich befohlen hatte, my ladys Leiche bis zur Grablegung einzubetten?«
Sie nickte und biss sich auf die Lippen. »Wir hatten gewiss keine Respektlosigkeit im Sinn, Sir, es ist nur so, dass die ganze Zeit Leute aus dem Ort kamen, um my lady in der Kapelle zu sehen, und Master Forster sagte, wenn wir ihnen das verweigern, dann wird der Klatsch über ihren Tod nur noch schlimmer.«
»Gewiss, aber genug ist genug. Leider sind tote Körper dem Verfall unterworfen, und ich will nicht, dass man
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