Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Leben zuerst an andere und dann an Eure eigene Haut. Und überlasst die Briefe mir. Es scheint mir doch, dass diese Angelegenheit die Schläue des Fuchses erfordert und nicht die Kraft des … Rindviehs?«
    Mein erster Atemzug glich mehr dem Schnaufen eines Maulesels. Der zweite war auch nicht der mächtige Windstoß, den ich beabsichtigte. Doch beide halfen mir, nicht gleich laut herauszubrüllen.
    »Ihr habt mich um Hilfe gebeten«, nahm sie mir, ehe ich loslegen konnte, den Wind aus den Segeln. Und sie lächelte dabei.
    Das hatte ich in der Tat, und zuerst hatte es mich überrascht, dass sie mir diese Hilfe ohne weiteres gewähren wollte. Bei einer anderen Frau hätte ich vermutet, dass sie plante, mich durch ihre Hilfestellung in mein Unheil rennen zu lassen, aber das entsprach einfach nicht Edith Odingsells’ Art. Wäre sie ein Mann, dann wäre sie einer, der seine Gegner niemals in den Rücken stach, sondern nur von Angesicht zu Angesicht die Waffen kreuzte.
    Meine Bitte von Anfang an abzulehnen oder sie ohne Wenn und Aber zu erfüllen, nur eines von beiden kam bei ihr in Frage, und genau darauf hatte ich schließlich gesetzt. Was ich übersehen hatte, war, dass es auch Edith Odingsells’ Art entsprach, mich trotzdem so gründlich wie möglich zu foltern, während sie diese Hilfe gewährte.
    Andererseits war nicht auszuschließen, dass sie größeres Glück dabei haben könnte, die Briefe in die Hände zu bekommen, als ich das bisher hatte. Schließlich würden weder Pirto noch John Appleyard auf eine Intervention von ihr vorbereitet sein.
    »Und wie«, fragte ich, nur um zu hören, ob sie tatsächlich einen Plan hatte, »stellt Ihr Euch das vor?«
    Was ich wissen wollte, war, wie sie die Briefe an sich bringen wollte. Worauf sie antwortete, war, wie ich Frobisher finden sollte. Natürlich. Ich hätte wissen müssen, dass sie selbst die kleinste Gelegenheit nicht verstreichen lassen würde, mir Befehle zu erteilen.
    »Ganz einfach: Egal, wann Euer Frobisher hier eingetroffen ist und abgefangen wurde, Anthony Forster war heute noch nicht in Abingdon, und er muss lange genug mit ihm gesprochen haben, um dem Gerücht über Eure Liebe aufzusitzen. Außerdem bin ich schon eine ganze Weile wach, und das einzige Pferd, das ich gehört habe, war Eures. Das heißt, dass der Junge hier in der Nähe sein muss. Das Haus ist ein ehemaliges Klosterhospital, Blount. Wisst Ihr, was es unter solchen Hospitälern geben musste, was heute noch genutzt wird? Höhlen, um im Winter Eis einzulagern, damit man im Sommer Lebensmittel kühl halten kann. Meine Schwägerin Alice lässt ganz hinten im Garten irgendwo das Gemüse und die Äpfel aufbewahren, damit alles etwas länger frisch bleibt. Ich möchte wetten, dass Ihr dort auch Frobisher findet.« Sie nickte mir gönnerhaft zu. »Nun geht, geht! Da könnt Ihr den Retter spielen und, nebenbei bemerkt, endlich herausfinden, was Anthony Forster wirklich am Sonntag getrieben hat. Selbst wenn Frobisher Euch in London belogen hat und er es da noch nicht wusste, nach seiner Gefangennahme durch Anthony weiß er es bestimmt.«
    »Und die Briefe?«, beharrte ich.
    Sie sah mich nun mit ernster Miene an. »Lasst mich ganz offen sein: Als ihr Bruder hat John Appleyard mehr Anrecht auf sie als Ihr, und eigentlich geschähe es sowohl Euch als auch Robin Dudley nur recht, wenn die Welt erfährt, was auch immer darin steht. Aber …« Sie zögerte. »Er wird sie nur nutzen, um einen größeren Anteil am Kuchen für sich herauszuhandeln, nicht, um seiner Schwester Gerechtigkeit zu verschaffen.«
    »Und Ihr glaubt, dass ich …«, begann ich, eigenartig gerührt, dass sie nach all den Jahren doch in gewissen Punkten eine gute Meinung von mir haben sollte.
    »Nein, ich glaube nicht, dass es Euch um Gerechtigkeit für die arme Amy geht«, unterbrach sie scharf. »Habe ich gesagt, dass ich Euch die Briefe geben werde, wenn ich sie habe? Ich werde entscheiden, was zu tun ist, wenn ich weiß, was darin steht. Damit müsst Ihr leben. Und nun trollt Euch. Der Eingang zu den Felsenkellern liegt am rechten Ende des Gartens, hinter einer Holzablage. Wie Ihr vorhin zur Abwechslung einmal richtig erkannt habt, gibt es nicht mehr viel Zeit zu verlieren.«
    Ich konnte das Weib noch immer zum Teufel schicken und selbst zu Appleyard gehen. Aber mir war noch immer keine bessere Taktik außer Gewalt eingefallen, um ihn davon zu überzeugen, die Briefe herauszurücken, wenn er sie denn schon hatte. Vor allem an

Weitere Kostenlose Bücher