Im Schatten der Königin: Roman
Augen wäret Ihr blind, doch ohne Euren Geist wäret Ihr tot.«
»Wenn du wissen möchtest, ob mir Cecil unentbehrlicher ist als Robin, dann ist die Antwort, dass Cecil für das Königreich wichtiger ist.« Elizabeth seufzte und sah in den Garten. »Kat, du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Arbeit noch vor mir liegt. Ich will, dass wir wieder ein Land werden, das reich und mächtig ist, ein Land, in das Ausländer kommen, um Handel in unseren Kontoren zu treiben und Wissen an unseren Universitäten zu lernen, nicht ein Land, dessen Münzen anderswo kaum noch etwas wert sind und aus dem ständig Menschen der einen oder anderen Religion auf den Kontinent fliehen müssen. Cecil versteht das, mehr als sonst jemand im Kronrat. Er weiß, dass es nicht darum geht, sich ein Vermögen in die eigene Tasche zu wirtschaften, oder darum, es den Katholiken heimzuzahlen für alles, was während der Herrschaft meiner Schwester geschehen ist. Die meisten Männer mit Erfahrung in den letzten Regierungen wollen entweder das eine oder das andere. Cecil dagegen kann man nicht kaufen, und er ist auch kein Fanatiker.« Sie sah mich an. »Ich will keine Fenster in die Seelen der Menschen machen, Kat; wir sind nun ein protestantisches Land, aber ein Teil meiner Untertanen wird immer katholisch bleiben, und solange sie mich als ihre Herrscherin anerkennen, ist mir das recht. So manch ein Mitglied des Kronrats möchte nichts lieber als einen Gottesstaat mit nur einem einzigen Credo, aber nicht Cecil. So ein Minister ist unbezahlbar.«
»Aber mit Verlaub«, protestierte ich, »meint Ihr nicht, dass man es Verrat nennen könnte, was zwischen ihm und John Dudley geschehen ist, als Cecil Edward Seymours Dienste verlassen hat, und dann zwischen ihm und Eurer Schwester, als er Dudley verließ?«
»Nein«, sagte sie bestimmt. »Oh, er wollte überleben, aber in erster Linie wollte er das, weil er wusste, dass das Land ihn braucht. Das Land braucht ihn, weil ihm England wichtiger ist als sein eigenes Wohlergehen. Und deswegen wird er mich nicht verraten. Weil er weiß, dass es für mich ganz genauso ist.«
Es war kühl genug an diesem Morgen, dass ich ihren Atem sehen konnte, während sie weit ausschritt. »Deswegen habe ich ihn meinen Geist genannt.«
»Und wenn er nun … wenn ihm nun ein Unglück geschähe?«
Sie blieb stehen und sah mich erstaunt an. »Dann helfe Gott England«, sagte sie, »denn derzeit wüsste ich wahrlich nicht, wer ihn ersetzen könnte.«
Die beiden Hofdamen kamen näher, und sie hob ihre Hand, um sie aufzuhalten.
»Gibt es etwas, was du mir sagen willst, Kat?«
Ich schüttelte den Kopf. Was ich zu sagen hatte, musste ganz offensichtlich anderswo ausgesprochen werden. Elizabeth musterte mich noch einen Moment länger schweigend, dann fuhr sie mit ihrem Spaziergang fort.
Als wir wieder ins Schloss zurückkehrten, ließ ich mir ein Frühstück auf mein Zimmer bringen, während Elizabeth ihre erste morgendliche Besprechung mit Cecil hatte. Diesmal machte ich mir nicht die Mühe, ihn abzufangen, sondern wartete meinerseits. Mildred musste ihm von meinem gestrigen Besuch erzählt haben, und mit Sicherheit hatte er inzwischen entdeckt, was ihm nun fehlte.
Die meisten Hofdamen teilten entweder einen Raum mit einer anderen Hofdame, oder, wenn sie wie Mall Sidney verheiratet waren, mit ihrem Gemahl, und schliefen abwechselnd im Vorzimmer oder im Schlafgemach der Königin. Ich war die Einzige, die ein Zimmer für sich hatte, und es lag so nahe den Gemächern der Königin, dass ich Cecil hörte, lange ehe er an meine Tür klopfte. Man musste ihm zugestehen, dass er die Ruhe selbst war, als ich ihn hereinbat.
»Mistress Ashley«, sagte er, »ich war bekümmert, dass Ihr gestern nicht bis zur Abendmahlzeit gewartet habt, da Ihr meinem bescheidenen Heim doch nun einmal die Ehre gabt; ich hätte Euch gerne bewirtet und Euch von meinem Besuch in Kew erzählt.«
»Wäre ich meinerseits dann wieder nach Windsor zurückgekehrt, oder hätte mich eine plötzliche Krankheit ereilt oder vielleicht ein Genickbruch?«, fragte ich schneidend.
»Das ist eine sehr kränkende Unterstellung«, sagte er ruhig.
»Ihr müsst natürlich alles über kränkende Unterstellungen wissen, Mr.Secretary. Gestern habe ich eine gelesen, die mir wirklich den Atem nahm. Verzeiht einer alten Frau, deren Gedächtnis sie manchmal im Stich lässt, doch mir schien, die Worte waren folgende: Cecil sagte, er glaube, dass der Königin der sichere Ruin durch
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