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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Bürgermeister. »Ihr müsst zugeben, das klingt nach einem verzweifelten Gemüt und …« Er bekreuzigte sich. »Nach der Sünde des Selbstmords.«
    »Das ist jedoch noch nicht unser Spruch«, sagte Irsby eilig. »Meine Herren, ich muss noch einmal betonen, dass Sünder, die sich ihr eigenes Leben nehmen, für gewöhnlich den Strick oder den nächsten Fluss wählen. Sich von der Treppe eines Hauses zu stürzen, wo noch nicht einmal sicher ist, dass man sich dabei ein Bein bricht, geschweige denn den Hals, das würde nur ein Geistesschwacher tun, und nach allen Aussagen hatte my lady ihren Verstand sehr wohl beisammen.«
    Der Bürgermeister sah zweifelnd aus, und mehrere der übrigen Geschworenen schienen der gleichen Meinung zu sein. »Ich kannte my lady Dudley gut«, sagte ich mit fester Stimme. Einen Moment lang fragte ich mich noch, ob Pirto ihnen auch von Amys Prophezeiung über unser aller Ende in der Hölle erzählt hatte oder es im unpassenden Moment aus den Tiefen von Mrs.Owens trübem Geist hervorgequollen war, doch darauf kam es nun nicht an. Wichtig war nur, einen Schuldspruch auf Selbstmord zu verhindern. »Sie war eine fromme Christin, das werdet Ihr schon von allem Gesinde hier gehört haben, die sich nie selbst der Hölle überantwortet hätte. Doch selbst gesetzt, Schmerzen in Körper und Seele hätten ihre Gottesfurcht beeinträchtigt, so war sie überdies eine Frau, die in ihrem Leben wenig dem Zufall überließ. Ihr habt gehört, was Master Irsby gesagt hat: Der sichere Weg, seinem Leben ein Ende zu setzen, ist ein Fluss wie der hier ganz in der Nähe oder ein Strick, wie es sie im Stall zur Genüge gibt. Dies sind die Wege, die auch Ihr – Gott möge es verhüten – wählen würdet. My lady Dudley war keine Magd, sie war eine gebildete Frau und, das versichere ich Euch, bei klarem Verstand.«
    Sie schauten einander an, und langsam, einer nach dem anderen, begannen sie zu nicken. Selbst der Bürgermeister ließ die Schultern sinken, als akzeptiere er mein Argument, auch wenn seine Miene weiterhin angespannt blieb.
    »Master Blount«, fragte Irsby, »habt Ihr eigentlich selbst medizinische Kenntnisse?«
    Ich schüttelte den Kopf: »Warum fragt Ihr?«
    »Weil mir scheint, dass Euch Eure Schulter schmerzt«, sagte er freundlich. »Ihr solltet Euch in Behandlung begeben.«
    Ich machte eine abwehrende Handbewegung und wandte mich an den Bürgermeister. »Habt Ihr weitere Fragen an mich?«
    »Doch«, sagte er. »Man hat mir mitgeteilt, dass Ihr my lady Dudleys Briefe in Gewahrsam habt. Wir wollen sie gerne lesen.«
    Zuerst dachte ich, dass Pirto oder Forster mir auf diese Weise einen letzten Schlag versetzen wollten, und starrte ihn an. Der Bürgermeister erwiderte meinen Blick ohne Hohn oder Feindseligkeit. Dann fiel mir wieder ein, dass ich tatsächlich noch über Amys Briefe verfügte, seit dem Tag meiner Ankunft in Cumnor: das Schreiben an den Schneider in London, all die unpersönlichen Dokumente, die nichts über ihr Gemütsleben verrieten. Diese Briefe waren gemeint. Es bestand kein Grund, zu glauben, dass die Geschworenen von anderen etwas wussten.
    »Sehr wohl«, sagte ich erschöpft und führte sie in das mittlerweile von Appleyard besetzte Zimmer, wo ich die Schriftstücke wieder in der Truhe verschlossen hatte. Der ganze Raum stank gotterbärmlich, und Appleyard war gerade dabei, Hugh Latimer einen vollen Nachttopf zum Leeren zu übergeben. Er zeterte darüber, dass wir ihn in Ruhe lassen sollten, doch als ihm erklärt wurde, worum es ging, bestand er darauf, dass die Briefe sein Eigentum seien. Zu guter Letzt ließ er sich dazu bequemen, sie den Geschworenen zu überlassen, wenn sie ihm denn nach der Lektüre umgehend zurückerstattet würden.
    Mir war mittlerweile so übel, dass ich hätte speien mögen, und das nicht wegen Appleyards Rizinus-bedingtem Durchfall. Ich ließ die Geschworenen mit ihm und Amys Schneiderrechnungen zurück und ging zum Stall, um mein Pferd satteln zu lassen. Ein Leben gab es immerhin, zu dessen Rettung ich beitragen konnte, statt es zu zerstören.

    Ich ritt nach Abingdon, wo mich Frobisher mit Herbert Maudlin erwartete. Wie ich vermutet hatte, waren Feltons Aussichten, nicht wegen Mord an George Harkness gehängt zu werden, auch mit einem Rechtsgelehrten aus Oxford an seiner Seite mehr als gering. Doch das, was ich Maudlin vorzuschlagen hatte, war, wie er mir sagte, eine Rettungsmöglichkeit für den Knecht. Es gab einen Fall, in dem Felton nicht

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