Im Schatten der Königin: Roman
katholisch waren, ins Kloster gegangen waren, ohne von ihren Familien dahin abgeschoben worden zu sein, aber nun gab es keine Nonnen mehr, und im Übrigen hatte unsere Königin nichts ausgesprochen Keusches an sich. Sie schmückte sich ständig mit einem Schwarm Verehrer, und ich hatte sie mit Robin die Volta tanzen sehen, einen Tanz, den Margery als rundum unanständig bezeichnete, während die Königin ihn sichtlich genoss. Gewiss, sie war unsere Königin von Gottes Gnaden. Doch ihr Vater, der alte König Henry, hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und alle Seelen im Land gespalten, um Anne Boleyn heiraten zu können, die Frau, die er später als ehebrecherische Hure hatte hinrichten lassen. Wie sollte da die Tochter der beiden nicht alle guten Ratschläge in den Wind schlagen, um ihrem Herzen zu folgen? Die verstorbene Mary hatte es getan, und wenn überhaupt jemand einer Nonne geglichen hatte, dann sie.
»Mit anderen Worten«, stellte ich fest, »unser Staatssekretär meint Eurer Ansicht nach, die Königin würde sich umgehend in Eure Arme stürzen, wenn sie könnte, und Cecil kann deswegen nicht gewollt haben, dass Eurer Gemahlin Böses geschieht. Nun, my lord, das gibt mir Hoffnung, denn wenn my lady nicht durch ein Unglück ums Leben kam, dann wird der Schurke, der verantwortlich war, gewiss nicht davor zurückschrecken, Eure rechte Hand ins Jenseits zu befördern.«
»Wirst du dieses Risiko für mich auf dich nehmen? Du musst mir helfen, Vetter. Wirst du nach Cumnor gehen?«
Es war keine echte Frage, das wusste er so gut wie ich.
»Natürlich«, sagte ich und wusste nicht, ob ich dies als Niederlage für mich empfinden sollte, oder ob ich mich gekränkt fühlen musste, dass er an mir gezweifelt hatte. Ganz egal, was noch vor einer halben Stunde meine eigenen Pläne gewesen waren – der letzte Tag, an dem ich ihn hätte verlassen können, war jener in Frankreich gewesen.
Kapitel 3
1558–1560
U nter den Gütern, die Amy von ihrem Vater geerbt hatte, war kein ordentlicher Herrschaftssitz gewesen; das Haus, in dem sie geboren worden war, hatte schon vor dem Tod des alten Robsart niemand mehr bewohnen wollen, am allerwenigsten er, und es wieder herzurichten wäre zu teuer gewesen. Nach Robins Entlassung aus dem Tower hatte Amy darum in Häusern von Freunden und Familienangehörigen gelebt, in Hertfordshire, Lincolnshire, Bury St. Edmunds und Camberwell, während er für Philipp kämpfte. Als wir wieder aus Frankreich zurückkehrten, war es nicht anders, mit dem Unterschied, dass Robin nun durch die Robsart-Güter in der Lage war, die Gastfreundschaft zu entgelten. Er und Amy blieben nie länger als drei Monate an einem Ort. So ein Leben führten zwar viele Haushalte, aber ein Mann ohne wenigstens eine ordentliche Residenz, die er sein Eigen nannte, konnte kaum zu Höherem aufsteigen. Eine Zeitlang wollte Robin deshalb ein Haus in Norfolk mieten und ließ mich nach geeigneten Unterkünften suchen, aber das war, ehe Elizabeth auf den Thron kam. Danach änderte sich alles.
Soweit ich das beurteilen kann, hat Amy das Wanderleben an Robins Seite nie etwas ausgemacht; jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass sie während der Jahre von Marys Herrschaft darüber klagte. Aber von dem Moment an, als Mary im Sterben lag und Robin zu seiner Jugendfreundin Elizabeth nach Hatfield aufbrach, war er ständig an der Seite der neuen Königin. Er war Mitglied des neuen Hofstaats, was bedeutete, zwischen den königlichen Residenzen hin- und herzuziehen, ob nun Hampton Court, Windsor oder Richmond. Amy besuchte ihn ein paarmal in London, sicher; aber das Haus in Kews, das ihm die Königin erst vor kurzem schenkte, hatte sie nie betreten. Dies war nicht ihre Entscheidung gewesen.
»Ich verstehe nicht, warum ich nicht bei Hofe sein kann«, sagte sie zu mir, als ich ihr zum ersten Mal einen Brief Robins überbrachte, der sie auf seinen nächsten Besuch vertröstete. Ich erinnerte mich an das, was Margery einst über das gesunde Landleben und den engen Raum in königlichen Residenzen gesagt hatte, und wiederholte es. Amy hob abwehrend die Hand.
»Das mag auf deine Gattin zutreffen, Thomas Blount, aber mir macht es nichts aus zu reisen, und wenn sich für meine Schwägerin Mall Platz in Hampton Court findet, dann doch gewiss auch für mich. Meinst du denn, Robin hat alleine von der Rückkehr an den Hof geträumt? Wozu hat er der Königin damals Geld geliehen, wenn nicht dafür, dass unsere Zeit des Glanzes
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