Im Schatten der Königin: Roman
ich in meinem Herzen schon lange von ihr Abschied genommen hatte. Aber mein schlimmster Feind hätte sich nichts Ärgeres für mich wünschen können als ihren Tod auf eine solche Art und Weise, das weißt du.«
Sein schlimmster Feind. Davon hatte er inzwischen eine ganze Menge: Jeden ledigen Mann des Hochadels, der sich eine Chance auf die Hand der Königin ausrechnete; einen Haufen auswärtiger Botschafter, die von ihren Herren mit Heiratsanträgen ausgestattet worden waren und ebenfalls glaubten, die Königin und England würden ihnen so leicht in die Taschen fallen wie ein reifer Apfel, wäre sie nicht in ihren Jugendfreund vernarrt. Aber ich ahnte, dass er keinen von ihnen meinte. Es gab jemanden, dessen Feindseligkeit er aus vollem Herzen erwiderte, und das war leider der einzige Mann im Königreich, der ihn unbestritten an Ämtern, Macht und Bedeutung übertraf.
»Meint Ihr«, fragte ich, »dass der ehrenwerte Cecil mehr getan hat, als Euch nur Übles zu wünschen? Er scheint mir nicht der Mann zu sein, der sich auf Wünsche verlässt, wenn man seine Laufbahn betrachtet, und von all Euren Feinden …«
»… ist er der Schlimmste«, vollendete Robin meinen Satz. »William Cecil.« Er dehnte jede Silbe des Namens in die Länge und füllte sie mit Abscheu.
Ich muss zugeben, dass wir dem Staatssekretär, dem wichtigsten Minister im Land, gegenüber beide voreingenommen waren. Der ehrenwerte Cecil war brillant, strebsam, und der Vertrag, den er gerade erst mit unseren streitsüchtigen schottischen Nachbarn ausgehandelt hatte, soll ein Meisterstück seiner Art sein. Aber er war auch berühmt dafür, wie er Menschen ans Messer lieferte, wenn sie ihm nicht mehr nützten. Zuerst war er im Dienst von Edward Seymour gestanden, als dieser noch Lord Protector war. Dann hatte er Seymour an John Dudley verraten. John war dankbar und hatte Sinn für Kompetenz, also machte er Cecil zu seiner rechten Hand. In jener Zeit hatte ich selbst ein paarmal die Ehre, unserem heutigen ersten Minister über den Weg zu laufen. Ein ruhiger, gelassener Mann, den man schnell unterschätzt, mit einem Gesicht, das man leicht vergisst. Das war damals mein Eindruck gewesen.
Meine Base Jane hat nie mit Gewissheit erfahren, wer John an Mary Tudor verraten und sie davor gewarnt hat, nach London zu kommen, als der junge König Edward starb. Aber als der erzprotestantische William Cecil von ihrer höchst katholischen neuen Majestät nicht angetastet wurde, obwohl er ihrem gerade besiegten Feind Dudley doch so nahegestanden hatte, als er in Freiheit, ungebrochenem Wohlstand und Frieden lebte, während John hingerichtet wurde, da machten wir uns alle einen Reim darauf, Robin und seine Brüder im Tower so sicher wie ich und Jane auf unseren vergeblichen Bittgängen um Gnade für ihre Söhne. Wenn es jemanden gab, der einen höchst persönlichen Grund hatte, Robin Dudley auf gar keinen Fall je als König von England sehen zu wollen, dann war es der Mann, den Robin für den Tod seines Vaters verantwortlich hielt.
»Ich … ich bin mir nicht sicher«, entgegnete Robin zu meiner Überraschung auf meine Frage. Er schaute auf seine rechte Hand, auf den Ehering, den er dort trug. William Cecil war bei Robins Hochzeit dabei gewesen, genauso wie ich selbst und unsere jetzige Königin, die damals noch die Prinzessin Elizabeth war. »So eine Tat wäre ein Glücksspiel für Cecil, und ich habe ihn noch nie wetten sehen. Ich würde eher glauben, dass er Gott täglich darum gebeten hat, Amy ein langes Leben an meiner Seite zu schenken. Denn bin ich ein freier Mann und kann ich beweisen, dass ich unschuldig am Tod meiner Gemahlin bin …«
»… dann könnt Ihr die Königin um ihre Hand bitten«, sagte ich und überlegte, ob es sinnvoll war, ihn anzuflehen, dergleichen Gedanken zu unterlassen. Im Gegensatz zu Cecil war Robin dem Wetten nicht abgeneigt, das wusste ich aus eigener Erfahrung.
Robin ließ seine Hand sinken und sah mich an. Seine Mundwinkel zuckten. »Ich kenne die Königin seit ihrem achten Lebensjahr«, sagte er. »Damals sagte sie, sie würde niemals heiraten. Aber ich denke nicht, dass sie dergleichen je zu Cecil gesagt hat oder dass er es glauben würde, wenn sie es sagte.«
Da stand Cecil nicht alleine. Ich glaubte es auch nicht, und ich war sicher, das Gleiche galt für Robin, ganz egal, was er gerade behauptete. Es war unnatürlich. Jede Frau wollte heiraten. Nun, vielleicht nicht jene, die in früheren Zeiten, als wir alle noch
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