Im Schatten der Königin: Roman
ich Euch nicht zu sagen, was ich Euch sagen muss. Gerade, weil Ihr nun Königin seid, ist das anders. Es gibt weiß Gott genug, die Euch nun nach dem Mund reden.«
»Weniger, als du glaubst«, sagte sie düster. »Wer unter meinem Bruder Edward zu Macht und Ehren gekommen ist, liegt mir damit in den Ohren, es sei meine Pflicht als Protestantin, die Katholiken zum Teufel zu schicken. Diejenigen, die meine Schwester Mary in ihre Ämter eingesetzt hat, predigen mir, ich könnte mir die Exkommunikation durch den Papst ersparen, wenn ich Marys Politik weiter betreibe und mich endlich zur wahren Religion bekenne.« Damit wollte sie das Gespräch auf ein Gebiet lenken, von dem sie wahrlich mehr verstand, doch dergleichen Ablenkungsmanöver waren mir wohlvertraut, und ich wusste genau, wie ich sie beenden konnte.
»Protestanten und Katholiken werden Euch gleichermaßen verdammen, wenn sie glauben, dass Ihr eine unehrenhafte Beziehung zu Lord Robert unterhaltet«, sagte ich. »Und was sollen sie sonst glauben, wenn Ihr seine Gemahlin nicht empfangt? Was sonst, als dass Ihr eifersüchtig seid?«
»Ich habe nie vorgegeben, eine Heilige zu sein oder eine Nonne«, entgegnete sie scharf, und ihre Augen blitzten. Mittlerweile war sie zornig, doch zumindest versuchte sie nicht mehr, mir auszuweichen. »Das macht mich noch lange nicht zu einer Dirne. Was ich von Robin haben kann, ist wenig genug, auch ohne täglich die kleine Gans aus Norfolk zu sehen, die er unbedingt hat heiraten müssen.«
»Sie ist seine rechtmäßige Gemahlin«, sagte ich leise. »Ihr seid seine Herrscherin. Mehr als ein Untertan darf er für Euch nicht sein.« Es sei denn, seine Ehe endete auf die eine oder andere Weise, wie das Land nun schon ein Jahr lang spekulierte, aber auf dergleichen Fragen wollte ich mich gar nicht erst einlassen, nicht nach dem großen, großen Fehler, den ich in der Vergangenheit gemacht hatte.
»Eine Herrscherin, gewiss. Aber ich bin auch eine Frau«, gab sie heftig zurück. »Mein Vater hat wahrlich nicht aufgehört, ein Mann zu sein, als ihm die Krone aufgesetzt wurde, und kannst du mir den König in Europa nennen, der wie ein Priester lebt und nur Gefühle für Gott und sein Land hat?«
»Solange eine Frau noch nicht verheiratet ist, so lange muss sie als Jungfrau leben, ganz gleich, wie anders es die Männer halten. Das wisst Ihr doch, mein Kind.«
»Du wagst es, mir zu unterstellen …«
Ich schnitt ihr das Wort ab. »Ich erinnere Euch an nichts anderes als an das, was Ihr selbst nur zu gut wisst.«
»Zum Teufel!« Elizabeth stemmte die Hände in die Hüften; ihre zornige Stimme war mittlerweile laut genug, um noch durch zwei Nebenzimmer gehört zu werden. »Vor meiner Schlafzimmertür stehen Wachen und Minister und Höflinge, die ganze Zeit! Wann sollte ich da die Gelegenheit haben, ein unehrenhaftes Leben zu führen? Aber ich werde dir etwas sagen, Kat Ashley: Wenn ich je den Wunsch haben sollte, ehrlos zu leben, dann wüsste ich niemanden, der es mir verbieten könnte!«
An diesen Streit dachten wir wohl beide, als sie mich jetzt, zwei Tage später, aufforderte, ihr die Wahrheit zu sagen. Ich will nicht verhehlen, dass es mir eine gewisse Genugtuung hätte bereiten können zu sagen, ich habe es ja von Anfang an gewusst. Wenn man eine kleine Madam Besserwisserin aufzieht, die zu allem und jedem eine Meinung hatte und sie auch schon gerne verkündete, bevor sie Königin wurde, dann ist das nur natürlich. Aber es ging um etwas zu Ernstes. Deswegen hätte ich viel dafür gegeben, um im Unrecht zu sein.
»Ich denke, er könnte es getan haben«, sagte ich bedachtsam. »Aber viel wichtiger ist, das alle Eure Untertanen ihn für schuldig halten werden, ob er es nun ist oder nicht, und wenn Ihr ihn jetzt heiratet, dann wird bis zum Ende aller Tage jeder glauben, dass es mit Eurem Mitwissen geschah, selbst wenn Gott seine Engel heruntersenden würde, um Eure Unschuld zu verkünden.«
Die Königin saß vor ihrem Spiegel, wo ihre Damen ihr das Haar gekämmt hatten, und entledigte sich der Ringe, die sie trug, einen nach dem anderen. Sie legte sie sorgfältig auf das Tischchen, das zwischen ihr und dem Spiegel stand, bis auf den Ring, den sie niemals ablegt, ihren Krönungsring. Als er angefertigt wurde, musste ich dem Juwelier eine geheime Anweisung geben: Die mit kleinen Rubinen eingefasste Perle lässt sich abnehmen und verbirgt ein Miniaturporträt von Anne Boleyn, ihrer hingerichteten Mutter. Elizabeth hat mich nie
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