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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Vorschein kamen, als ich ihre Haube löste, zeigten, wenn man genau hinschaute, hier und da einen Hauch von Grau, und durch ihr breites, großzügiges Lächeln sah man, dass ihr ein Eckzahn fehlte. Das Sprichwort sagt, dass jedes Kind eine Frau einen Zahn kostet, und plötzlich fragte ich mich, ob sie Kinder hatte, die sie ernähren musste. Ob sie verheiratet war, mit einem Mann, der anderswo als Soldat diente?
    In Frankreich hatte ich dergleichen nie gedacht. Aber hier, in einer Schenke in Abingdon, stand ich, mit einer Hand, die bereit war, vom warmen Nacken eines hübschen Weibes zu ihrem Busen zu gleiten, und was ich vor mir sah, war nicht Vergessen, sondern die Vergangenheit. Da wurde mir klar, dass ich auf diese Weise nicht mehr entkommen konnte.
    Ihre eigene Hand war schon zu meinem Hosenbeutel geglitten, um daran zu nesteln, und ich hielt sie mit meiner Linken fest.
    »Du bekommst das versprochene Geld«, sagte ich. »Aber lass es für heute sein.«
    »Oh, der Herr ist schüchtern«, gurrte sie pflichtschuldig und ignorierte, was ich gesagt hatte.
    »Nein, ganz gewiss nicht«, sagte ich, und ihre Hand löste sich aus meiner. Ihre Körperhaltung änderte sich und verlor alles Verführerische. Sie trat einen Schritt zurück und hielt die Hand auf, die sich gerade an meinen Hosen zu schaffen gemacht hatte.
    »Dann hätte ich gerne das Geld, wenn’s beliebt«, sagte sie nüchtern.
    Stumm legte ich ihr eine Münze in die Hand. Sie war schon an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte.
    »Nichts für ungut, Herr, aber an Eurer Stelle würde ich mir gründlich überlegen, was ich eigentlich will.«

ERSTES ZWISCHENSPIEL
    K at«, sagte die Königin zu mir, als ich ihre anderen Hofdamen entlassen hatte, »du glaubst, dass er es getan hat, nicht wahr?«
    Ich hatte sie aufgezogen, seit sie vier Jahre alt war. Oft wusste ich trotzdem nicht, was sie dachte, aber manchmal lagen ihre Gedanken vor mir wie ein offenes Buch.
    »Ihr wollt von mir hören, dass ich ihn für unschuldig halte, Madam«, sagte ich und las ihren Fächer, den sie voller Zorn an die Wand geworfen hatte, vom Boden auf. Ich war nicht mehr die Jüngste, und seit meiner Zeit im Tower spürte ich meine Knochen stärker als manch andere Frau meines Alters, aber das Bücken gestattete mir, ihr zumindest nicht in die Augen schauen zu müssen, bis ich mich wieder erhob.
    Elizabeth war schon als Kleinkind scharfsinniger, als gut für sie war, und es war immer sehr schwer gewesen, ihr etwas vorzumachen. Als der verstorbene König Henry ihre Mutter hinrichten ließ und sie zu einem Bastard erklärte, gab es Streit darüber, wer es ihr sagen sollte. Meine Vorgängerin als ihre Gouvernante, Lady Bryan, sagte, dass man es vielleicht auf sich beruhen lassen sollte: »Das Kind ist drei Jahre alt, es wird nichts merken, zumindest eine Weile lang nicht.« Als aber Lady Bryan sie am Morgen begrüßte, da sagte das kleine Ding: »Gestern nanntet Ihr mich Euer Gnaden, aber heute bin ich nur my lady Elizabeth. Was ist geschehen?«
    Lady Bryan war sehr froh, als der König von seiner nächsten Gemahlin einen Sohn bekam und sie zur Gouvernante dieses Jungen machte. Sie wollte einen Thronfolger erziehen, kein Kind, das je nach Laune des Königs heute ehelich, morgen unehelich und auf jeden Fall die Tochter einer hingerichteten Hexe war. Was mich betrifft, ich war mit den Boleyns verwandt, genau wie mein späterer Gatte, der verstorbene Mr.Ashley, der von Anne selbst dem kleinen Haushalt ihrer Tochter zugeteilt worden war. Doch natürlich war dies geschehen, bevor sie angeklagt und hingerichtet worden war. Wir konnten nicht mehr darauf rechnen, je wieder vom König begünstigt zu werden, und wahrscheinlich wäre es klüger gewesen, eine neue Anstellung zu suchen. Aber mir lag das Kind am Herzen, das aufgeweckte kleine Mädchen, das jemanden brauchte, der kein höheres Amt bei Hofe im Auge hatte. Auf mehr, als dass der König einmal milder gestimmt sein und sie mit einem guten Edelmann verheiraten würde, war nicht zu rechnen, nicht nach der Schande ihrer Mutter und nicht bei den zwei Geschwistern, die in der Thronfolge vor ihr standen. Und so war ich einfach nur froh, Elizabeths Gouvernante werden zu dürfen, um ihr beizustehen. Was dies einmal bedeuten würde und was für uns beide in der Zukunft lag – die Gefangenschaft im Tower, gemeinsam und getrennt, die große Angst, die kühnen Hoffnungen und nun der Thron für sie –, das konnte ich damals noch nicht

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