Im Schatten der Königin: Roman
alle Gebete dieser Erde nicht mehr retten.
Nicht sie noch die, die sie dazu getrieben haben, hätte Edith Odingsells gesagt. Ich schüttelte unwillig den Kopf, denn just deswegen hatte ich sie aus dem Gemach entfernt. Um ihr zänkisches Gerede nicht zu hören, in dem ich doch den wahren Kern nicht überhören konnte.
Amy konnte nicht so unglücklich gewesen sein. Mrs. Odingsells irrte, wenn sie sagte, Amy habe sich selbst nicht mehr gekannt.
Meine Base Jane hatte mir erzählt, dass der alte Robsart, der seine Tochter nur zu gerne mit Robin verheiratet hatte, als John Dudley der neue große Mann im Königreich war, später bei den Bischöfen schöntat und Erkundigungen über Eheannullierungen einzog, als John und seine Söhne im Tower saßen. Damals stand Amy vor der sicheren Aussicht, die junge, güterlose Witwe eines Verräters zu werden, aber Jane schwor, dass sie nicht einen Moment den Mut verlor und darauf beharrte, ihre Ehe sei gültig und vollzogen; eine Annullierung kam für sie nicht in Frage. Amy war keine Frau, die leicht der Verzweiflung verfiel; das war sie einfach nicht.
»Sir«, sagte jemand, und ich drehte mich zur Tür hin um. Dort stand eine hagere, große Frau mit so derben Gesichtszügen, dass sie gut und gerne als Mann hätte durchgehen können, wenn man sie in Hosen und Wams gesteckt hätte. Sie deutete einen Knicks an. »Agnes Cross, Sir.«
Mrs.Owens Dienerin. Wie es schien, hatte Mrs.Odingsells nun schon zweimal an einem Tag etwas getan, um das ich sie gebeten hatte. Das Alter musste sie weicher gemacht haben.
»Hast du den Schlüssel für die Truhen in diesem Zimmer, Cross?«, fragte ich, obwohl ich sie eigentlich aus einem anderen Grund hatte sprechen wollen.
»Nein, Sir. My ladys Zofe hat sie, Pirto.«
Das hätte ich mir denken können, wenn mir nicht meine zwei Möglichkeiten im Kopf herumgeschwirrt wären, die mir beide wie Mühlsteine im Magen lagen und Übelkeit verursachten. Pirto war die Nächste, mit der ich sprechen musste.
»Wie lange bist du bei Mrs.Owen, Cross? Hast du schon im Haus gedient, als die Familie noch hier lebte?«
Sie nickte. »Zehn Jahre werden es bald sein, Sir. Es gibt niemanden mehr, der länger hier ist, weil Mrs.Owen Geld sparen musste, ehe Mr.Forster kam, und dann hat der auch seine eigenen Leute einstellen wollen.«
Agnes Cross zog ihre A lang, wie es die Menschen aus Oxfordshire taten. Als Mann aus Worcestershire kann ich nicht über Dialekte klagen, und außerdem klingt es allemal besser als das, was in London als Englisch gilt. »Du stammst aus der Gegend, oder?«
»Ja, Sir. Mein Bruder ist Vorsteher des Hauses für Kranke und Arme, das König Edward gegründet hat, um das Hospital des Klosters zu ersetzen, und einem meiner Vettern gehört das Wirtshaus zum golden Stier in Abingdon.«
Ihr Vetter hatte gutes Bier, steinhartes Brot und hübsche Mägde, aber das war jetzt bedeutungslos.
»Nun, Cross, dann, denke ich, können wir sicher sein, dass du jeden Fleck dieses Hauses kennst und dass dir Leute, die dort nichts zu suchen haben und nicht aus dieser Gegend stammen, sofort auffallen würden?«
Ihre Augen senkten sich. Sie hatte sehr helle Wimpern, und in dem dämmrigen Licht, das durch das aufwendige Glasfenster in Amys Gemach fiel, sah es einen Moment so aus, als habe sie gar keine, wie ein Kaninchen. Dann schaute sie mich wieder an.
»Gewiss, Sir. Aber Mrs.Owen und ich, wir waren am Sonntag nur in Mrs.Owens Zimmer und im Garten.«
»Und du warst immer mit Mrs.Owen zusammen? Den ganzen Sonntag?«
»Ja, Sir. Es gab niemanden sonst hier, bis auf Latimer in der Küche. Alle anderen waren auf dem Jahrmarkt, und da ist es meine Pflicht, Mrs.Owen zur Seite zu stehen, in ihrem Zustand.«
Ich versuchte mich daran, das Fenster zu öffnen. Natürlich hatte sich Forster nicht lumpen lassen und für das Glas bezahlt, aber das machte es nicht einfacher. Schließlich ließ ich es sein und betrachtete den Garten durch die zahllosen kleinen, rundgeschliffenen Flächen, die von Metallringen umgeben waren und es unmöglich machten, etwas anderes als Fragmente zu erkennen. Wenn Edith Odingsells und Mrs.Owen meinem Vorschlag nachgekommen waren, konnte ich sie inmitten der grünen und hellen Flecken nicht ausmachen.
»Zweifellos, Cross, aber du wirst ihr doch zwischendurch einen Becher mit Bier geholt oder Obst gebracht haben. Außerdem habe ich dich noch gar nicht danach gefragt.«
»Verzeihung, Sir. Es ist nur, ich dachte, Ihr wolltet wissen, ob ich
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