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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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jemanden gesehen habe, der nicht ins Haus gehörte, und das habe ich nicht, aber ich kann auch nicht schwören, dass niemand da war. Mrs.Owen und ich, uns ist niemand begegnet, das ist alles.«
    »Nicht einmal my lady Dudley? Anthony Forster hat mir erzählt, dass sie mit Mrs.Owen essen wollte, und ich würde doch meinen, dass sich ihr Unglück erst nach dem Essen zugetragen haben kann. Sonst hättest du dich doch gefragt, wo sie bleibt, und nach ihr gesucht. Und sie gefunden, versteht sich. Der Treppenaufgang in der großen Halle ist unübersehbar.«
    Sie starrte mich mit ihren wimpernlos scheinenden Augen an. »Ja, Sir.«
    »Ja was? «
    »Der Treppenaufgang ist unübersehbar. Ich hätte my lady gefunden, wenn ich nach ihr gesucht hätte.«
    »Aber?«
    »Aber ich habe nicht nach ihr gesucht«, sagte Agnes Cross ausdruckslos. »Nachdem das Gesinde zum Jahrmarkt aufgebrochen war, ist sie zu Mrs.Owen gegangen und hat sich entschuldigt, weil sie keinen Hunger verspürte. Sie hat gesagt, es ginge ihr nicht gut und Mrs.Owen möge allein speisen.«
    Meine Hand um den Fensterriegel verkrampfte sich. »Dann hat sie ihre Meinung aber sehr schnell geändert.«
    »Nun, Sir, es ging ihr wirklich nicht gut. Sie hatte Schmerzen in der Brust. Die hatte sie schon, als sie hierherkam. Ich habe ihr manchmal Kräuterumschläge gemacht. Da kenne ich mich aus, wegen meines Bruders. Doktor Owen, Gott habe ihn selig, hat immer gesagt, ich hätte eine gute Hand für Kranke, deswegen hat er mich auch eingestellt, um Mrs.Owen zu dienen.«
    Amys Schmerzen in der Brust kamen und gingen seit eineinhalb Jahren und waren einer von vielen Gründen, warum überall so lange schon über ihren möglichen Tod geklatscht worden war, aber ich hatte nie daran geglaubt, dass es sich wirklich um eine ernste Krankheit handelte. Diese Brustschmerzen neigten dazu, immer dann aufzutauchen, wenn sie mit Robin über die Zeit stritt, die er bei Hofe verbrachte, oder darüber, dass sie einmal gemeinsam in Norfolk hatten leben wollen, oder dass seine Schwester Mall die liebste Hofdame der Königin war und Amy das letzte Mal während der Krönungsfeierlichkeiten von ihr empfangen wurde. In den zwei Jahren danach plagten sie die geheimnisvollen Schmerzen in immer kürzeren Abständen. Sie waren auch aufgetaucht, als sie erfuhr, dass ich sie nach Cumnor bringen würde.
    »Mrs.Owen hat mir das Gespräch mit Lady Dudley etwas anders geschildert«, sagte ich. »Sie meinte, es sei von Höllenfeuer die Rede gewesen. Nicht von Brustbeschwerden.«
    Ich erwartete, dass Agnes Cross nun versuchte, so respektvoll wie möglich zu sagen, dass Mrs.Owen ihren Verstand nicht mehr beisammen hatte, doch zunächst einmal blieb sie stumm und biss sich auf die Unterlippe. Ich hakte nicht nach und überließ es ihr, als Nächste zu sprechen, während das Schweigen zwischen uns länger wurde. Wenn es um jemand anderen gegangen wäre, hätte mich das an eine Jagd erinnert, an die Kunst der Pirsch, aber die Stille, die uns umgab, war zu sehr von meinen eigenen Erinnerungen durchtränkt, um sie zu genießen. Als ich meine Arme verschränkte und darauf wartete, dass Agnes Cross ihre Selbstbeherrschung verlor und zugab, in einem oder mehreren Punkten gelogen oder wichtige Dinge verschwiegen zu haben, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Zu meinem ungläubigen Staunen spielte tatsächlich ein kleines Lächeln um ihre Lippen.
    »Sir, es gibt so viel Schlimmeres als Brustbeschwerden«, entgegnete sie, und obwohl ihre Stimme nicht im mindesten anders klang, war es doch, als würde eine andere Frau zu mir sprechen. »Wenn eine edle Lady wie eine Verbrecherin am Kreuzweg beerdigt werden müsste, weil sie nicht in geweihter Erde ruhen darf, das wäre schlimmer. Oder wenn ihr Witwer in solcher Erde ruhen muss, weil man ihn als Mörder hingerichtet hat. Oder, wer weiß, ihres Witwers Vetter, seine rechte Hand, die nicht weiß, was die Linke getan haben mag.« Ich war zu überrascht, um sie scharf zurechtzuweisen, weil sie mich so offen angriff, und ehe ich fragen konnte, ob sie mit Robins linker Hand auf Anthony Forster anspielte, fuhr sie fort: »Nein, Sir, ich denke doch, manche Dinge bleiben am besten ungesagt, denn wenn man einmal beginnt, von ihnen zu sprechen, wer weiß, wie das dann endet, und mit wem?«
    Ihr Lächeln wurde breiter. Dann drehte sie sich um und verließ den Raum, ohne von mir zurückgehalten zu werden. Hätte sie sich an Ort und Stelle in einen Vogel verwandelt, der mir mit seinen

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