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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Ankunft getan hatte.
    »Blount, wie?« Er musterte mich abfällig. »Ich dachte, Ihr hättet den Auftrag, den Tod meiner armen Schwester zu untersuchen. Das hat mir jedenfalls ihr windiger Gatte in seinem Brief versichert.«
    »Das tue ich, Sir«, sagte ich so freundlich, wie es mir möglich war. »Ich bin unterwegs zu einem Mann, der vielleicht Licht auf einige Umstände werfen kann.«
    »Schön«, sagte Appleyard unwirsch, »dann werde ich Euch begleiten. Wir wollen doch nicht, dass eine wichtige Aussage von Euch möglicherweise missverstanden wird.«
    Statt also allein und wenig auffällig beim Hof des Bauern Humphrey einzutreffen, tat ich es in Gesellschaft von John Appleyard und seiner zwei Knechte mit ihren Maultieren und dem nicht wenig umfangreichen Gepäck. Ich hatte vorgeschlagen, zumindest die Knechte nach Cumnor zu schicken, aber Appleyard murmelte etwas über Dudleysche Handlanger, die für ihre Messerfertigkeit bekannt seien, und machte deutlich, dass er mich verdächtigte, ihm die Kehle durchschneiden zu wollen, sobald wir beide allein waren, und es als Tat eines Wegelagerers auszugeben. Er übertraf damit all meine Befürchtungen noch um Meilen. Ob es ihm nun um seine Schwester zu tun war, oder um ihr Erbe, das wusste nur er allein.
    »Wenn wir in solchem Staat eintreffen, kann es sein, dass Harkness Reißaus nimmt, Sir«, gab ich zu bedenken. »Wenn er etwas zu verbergen hat, was ich vermute.«
    »Ihr wollt nur nicht, dass ich dabei bin, wenn Ihr diesen Kerl befragt, Blount«, sagte Appleyard, womit er natürlich nicht ganz unrecht hatte. Robin hatte mich angewiesen, seinem Schwager gegenüber offen zu sein, auch wenn ich glaubte, dass es nichts nützen würde: In seinem Herzen hatte Appleyard bereits einen Schuldspruch gefällt.
    Ich musterte ihn, während wir auf den Humphrey-Hof zuritten. Er sah Amy nicht sehr ähnlich, bis auf die Grübchen, die bei einem Mann eher kindisch als reizend wirken. Ansonsten kam er wohl nicht auf die Mutter, die sie geteilt hatten, sondern auf seinen Vater, Lady Robsarts ersten Gatten. Der alte Robsart hatte John Appleyard einmal »den schlechteren Schatten seiner Mutter, Gott hab sie selig« genannt, und während ich mit ihm über Amys Mitgift verhandelte, war es zu mehr als einem Streit mit Appleyard gekommen, der glaubte, ihm stünde ein gewisses Mitspracherecht zu, was den Gatten seiner Halbschwester betraf. Was auch immer Amy von ihrem Halbbruder hielt, hatte sie mir nie anvertraut. Dafür war Appleyard jetzt umso gesprächiger.
    »Ich habe es gleich gesagt, von Anfang an. Verheiratet sie mit einem von uns, habe ich gesagt, mit einem Mann aus Norfolk. Nicht mit dem dritten Sohn eines Ehrgeizlings, dessen Vater als Verräter hingerichtet wurde.« Es wäre schon unhöflich gewesen, dies vor sich hin zu knurren, doch stattdessen sprach er so laut, als wolle er es nicht nur mir, sondern auch den Knechten und jedem anderen mitteilen. »Und das war noch, ehe der elende John Dudley sich selbst als Verräter entpuppte, und seine Söhne genauso. Drei Generationen schlechtes Blut.« Er spuckte aus. »Wenn der Henker gründlichere Arbeit geleistet und die ganze Brut hingerichtet hätte, dann wäre meine Schwester noch am Leben, das weiß ich genau. Sie war so ein hübsches Märchen und wäre nicht lange im Witwenstand geblieben. Jeder wollte sie haben. Sie hätte sich einen der reichsten Männer der Provinz aussuchen können. Der wäre vom Hof ferngeblieben, und wenn er doch alle paar Jahre einmal nach London gegangen wäre, dann hätte er sie mitgenommen.« Appleyard seufzte, als läge die Last der Welt allein auf seinen Schultern, und ich wünschte, es wäre so, denn das würde ihm nicht die Gelegenheit geben, immer weiterzusprechen. »Ich hätte sie mit einem anständigen Kerl aus der Nachbarschaft verheiratet, der uns kennt und dem es nichts ausgemacht hätte, dass sie einmal Lady Dudley war, und wahrscheinlich hätte sie nun ein Kind. Das hat ihr mein lieber Schwager ja auch noch angetan, nicht wahr? Noch nicht einmal ein Kind konnte er ihr machen, nein, dazu hätte er sich ja sehen lassen müssen, statt sich bei Hof herumzutreiben und um die Königin herumzuscharwenzeln. Und außerdem …«
    Es war eine nicht enden wollende Rede, wie sie ein Karfreitagsprediger nicht grimmiger hätte halten können. Ich zwang mich, jedes Wort anzuhören. So unsinnig einiges von dem war, was er sprach, so hatte anderes doch einen wahren Kern; manchmal brachte Appleyard es sogar

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