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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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was ich tun sollte. Wenn Harkness’ Tod mit Amys im Zusammenhang stand, dann war beides Mord. Wenn ich aber keinen Mörder finden konnte, dann war ein solcher Zusammenhang nichts als schädlich für Robin, denn ohne einen anderen Schuldtragenden, der eindeutig nichts mit ihm zu tun hatte, würde Robin in den Augen der Welt noch verdächtiger sein als vorher.
    Wenn Harkness’ Tod nichts mit Amy zu tun hatte, dann ging er mich nichts an. Ganz gleich, welche Vermutung zutraf, in beiden Fällen konnte mir nur daran gelegen sein, wenn außer mir niemand, der Amys Tod untersuchte, in Harkness’ Ableben etwas anderes als einen Raubmord unter Tagelöhnern sah. Wenn John Appleyard mich nun bezichtigte, ihn auf vertrackte Weise von Cumnor ferngehalten zu haben, war das immer noch besser, als von ihm aus purer Bosheit beschuldigt zu werden, den unglücklichen Harkness selbst ins Jenseits befördert zu haben. Ja, alles in allem betrachtet, sollte ich Harkness Harkness sein lassen. Selbst wenn Felton den Mann nicht umgebracht hatte, so musste er seinen Tod doch in Kauf genommen haben, und außerdem schuldete ich einem wildfremden Tagelöhner überhaupt nichts.
    Aber der menschliche Verstand ist ein vertracktes Ding. Meiner bestand darauf, mich daran zu erinnern, dass es viele Arten von Schuld gab, die nicht immer blutig sein musste, und dass man am besten ein neues Leben begann, indem man gegen jedes Unrecht vorging, wenn man sicher war, dass es begangen werden würde. Außerdem hätte ich nur zu gerne gewusst, woher Harkness’ hellseherische Fähigkeiten denn nun rührten.
    Es war mittlerweile bald Mittag, und es fing schon wieder zu regnen an. Abingdon lag näher als Cumnor, und außerdem gingen mir Harkness und Felton nicht aus dem Sinn, und wie sie beide darauf bestanden hatten, dass der Teufel sich wieder in der Gegend herumtrieb.
    »Sir«, sagte ich unvermittelt zu John Appleyard, »mir ist der Regen zu viel. Ich bin zu alt dafür, den Rest des Tages in nassen Kleidern herumzulaufen. Ich werde nach Abingdon reiten und in dem Gasthaus dort auf besseres Wetter warten. Es steht Euch frei, mit mir zu kommen.«
    »Ein weiterer jämmerlicher Versuch, mich von Cumnor und meiner toten Schwester fernzuhalten!«, schnaubte er verächtlich, und unsere Wege trennten sich. Ich schickte ein kleines Dankgebet zum Himmel. Wenn ich in Abingdon fand, was ich suchte, dann würde es zumindest nicht in Appleyards Hörweite geschehen. Natürlich hatte er inzwischen in Cumnor freies Feld, um Gesinde, Geschworene oder beide zu bestechen, doch wenn er im Umgang mit ihnen die gleiche feinsinnige Art an den Tag legte, wie bei mir heute Morgen, dann würde er das entweder so offensichtlich tun, dass jeder mögliche Empfänger Angst hatte, seine Münzen zu nehmen, weil es jeder andere merken würde, oder er würde so überheblich sein, dass er potenzielle Verbündete damit verprellte.
    Der Wirt der Schenke, in der ich auf dem Herweg abgestiegen war, gab sich erfreut, mich wiederzusehen, und fragte hoffnungsvoll, ob ich meinen Gaukler mit dabei hätte. Seine Darbietungen vorgestern Abend hätten den Gästen gefallen, und gestern sei er gefragt worden, ob er nicht wieder so etwas bieten könne.
    »Ich dachte, ihr habt hier zurzeit Jahrmarkt«, sagte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Eben. Wenn den Leuten hier langweilig ist, dann laufen sie mir davon. Wisst Ihr, Herr, ich habe darüber nachgedacht, ja, das habe ich. Ich sollte die Schausteller dazu bringen, dass sie ihre Kunststücke bei mir aufführen, im Hof meiner Schenke. Wie Euer Gaukler das gemacht hat.«
    Es war aus seiner Sicht betrachtet wohl keine schlechte Idee. In einem Wirtshaus brauchte er sich nicht darum kümmern, dass ihm Kirche und Ratsherren auf den Pelz rückten, um Königin Marys Statuten gegen Vagabunden durchzusetzen, solange sie noch nicht wieder aufgehoben waren; Wirtshäuser brauchte man immer und zu allen Zeiten, und jedermann ging ohnehin davon aus, dass in ihnen gelegentlich gestohlen und gehurt wurde. Für die Gaukler bedeutete es ein Dach über den Kopf, und wenn ihre Narreteien mehr Leute anlockten und zum Trinken brachten, war ihnen genau wie dem Wirt gedient. Also brummte ich zustimmend und sagte dann so beiläufig wie möglich: »Als ich das letzte Mal hier war, sprachen wir von …«
    »… Lady Dudley! Ihr hättet mir ruhig sagen können, dass Ihr für my lord Dudley arbeitet, Sir.« Der Wirt warf sich in die Brust. »Ich hätte Euch nichts anderes erzählt.

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