Im Schatten der Königin: Roman
selbst zurück auf die Felder zu gehen, denn ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass der andere Tagelöhner erfolgreich das Weite suchte. Wie ich mir gedacht hatte, war er bereits von der Arbeit verschwunden, aber man sah ihn auf den Wald zulaufen, der eine halbe Meile entfernt war, so schnell ihm seine ungleich langen Beine dies erlaubten; zu Pferd holte ich ihn ein.
»Ich war’s nicht!«, schrie er, noch bevor ich etwas sagen konnte, »ich war’s nicht, ich war’s nicht!« Genauso gut hätte er sich selbst als Mörder bezichtigen können.
Ich trieb ihn zum Hof zurück. Die übrigen Knechte, die ständig für Humphrey arbeiteten, berichteten sofort, dass niemand Felton, wie der zweite Tagelöhner hieß, getraut habe, dass er noch nicht einmal aus der Gegend stamme, sondern erst im August aus Devon gekommen war und viel zu oft Streit anfing, um von irgendjemand fest angestellt zu werden. »Wahrscheinlich hat er den Rausch von Harkness ausgenutzt, Gott sei seiner Seele gnädig, um sich seinen Tageslohn unter den Nagel zu reißen«, mutmaßte ein grobschlächtiger Mann, neben dem der zitternde Felton wie ein Hänfling wirkte. »Und wahrscheinlich hat der eine Trunkenbold den anderen dabei überrascht«, fuhr Humphrey, der Bauer, fort, »und musste deswegen sterben.«
Es passte alles nur zu gut.
Und deswegen glaubte ich kein Wort.
Nirgendwo an Felton war ein Blutfleck zu sehen, und als jemand, der im Krieg genug andere Männer getötet hat, kann ich beschwören, dass es unmöglich ist, jemanden zu erstechen, ohne etwas von dem Blut abzubekommen, es sei denn, man tut es von hinten mit einer sehr dünnen Klinge, und selbst dann ist es schwer. Harkness’ Wunde aber war breit und auf der Brust.
»Warst du je Soldat, Felton?«
»Nein, Herr.«
Auch das ließ mich zweifeln: Die meisten Männer wissen nicht, wo sich das Herz eines Menschen befindet, wenn sie das erste Mal zustechen. Sie denken vielleicht, sie wüssten es, aber sie stechen mit großer Sicherheit daneben. Beim ersten Mal.
Andererseits konnte der Mörder auch nicht zu erfahren sein, sonst hätte er Harkness zur Sicherheit noch die Kehle durchgeschnitten.
»Sir, ich war es nicht«, flehte Felton, »ich war’s nicht, ich war’s nicht …«
»Halt’s Maul, du blutiger Nichtsnutz«, schrie Humphrey und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Felton taumelte nach hinten, verstummte und wimmerte nur noch.
Ich dachte an das noch nicht getrocknete Blut in der Scheune und daran, dass die Feldarbeiter kurz nach Morgengrauen mit der Arbeit begonnen haben mussten. Andererseits hatte Felton, der nicht der Klügste zu sein schien, gewusst, was wir finden würden, sonst hätte er nicht versucht zu fliehen. Vielleicht hatte er jemanden aus der Richtung der Scheune kommen sehen. Jemand, von dem er wusste, dass er keine freundlichen Absichten für Harkness hegen konnte, was ihm wohl nur recht war, wenn ich dem Gerede der Knechte über seine Streitereien mit dem Toten Glauben schenken durfte.
»Wenn du es nicht warst, wer war es dann?«, fragte ich.
»Der Teufel«, schluchzte Felton, »der Teufel!«
Das brachte ihm einen weiteren Schlag von Humphrey ein.
»Der Teufel? « Appleyard starrte mich an. »Jetzt weiß ich, was wirklich vor sich geht«, sagte er und zeigte mit einem siegelringbewehrten Finger auf mich. »Das hat alles nichts mit Amy zu tun, aber Ihr wollt, dass ich mich hier verzettele, damit ich nicht in Cumnor nach dem Rechten sehen kann!«
Ich unterdrückte einen schicksalsergebenen Seufzer. »Sir, ich hatte Euch vorschlagen, nach Cumnor zu gehen, und …«
»Ja, weil Ihr genau wusstet, dass ich das Gegenteil tun würde!«
Herr, hilf mir, dachte ich . Ich war nicht immer der gute Christ, treue Gatte und ergebene Vasall, der ich hätte sein sollen, aber hilf mir jetzt und schenke mir Geduld, denn ich will mein Leben ändern. Wenn dies alles vorbei ist, gehe ich nach Kidderminster zurück. Ich werde Robin sagen, dass ich in Frieden mit Margery auf dem Land leben möchte und er eine neue rechte Hand braucht. Schenk mir nur jetzt Geduld, sonst bin ich der Nächste, der des Mordes angeklagt wird, des Mordes an John Appleyard, und dann endet Margery als Witwe, und Robin wird bestenfalls verbannt, weil ihm kein Mensch glauben wird, dass er mir nicht den Auftrag zu Appleyards blutigem Ende erteilt hat.
Am Ende überließ ich Felton bei Humphrey seinem Schicksal und machte mich mit Appleyard auf den Rückweg nach Cumnor. Ich war mir noch nicht sicher,
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