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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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fertig, mit der falschen Beschimpfung doch das Richtige zu treffen. So etwa, als er wetterte, eine Schönheit wie Amy hätte die Königin aller Feste sein können, wenn Robin sie nur an den Hof geholt hätte, aber er sei wohl zu geizig gewesen, ihr nach der Krönung der Königin auch nur eine Robe zu bezahlen, wo doch jeder, der Amy gekannt hatte, wusste, wie sehr sie es liebte, sich herauszuputzen; nach ihrem klaglosen Verzicht auf dergleichen Luxus während Robins Zeit im Tower wären prächtige Kleider das mindeste gewesen, was ihr Gatte ihr geschuldet habe. Nun kannte ich mich mit Robins Rechnungen bestens aus, und auch mit denen von Amy. Daher war mir genau bekannt, dass Robin Amy mit Schmuck und den Dienstbarkeiten von Londoner Schneidern geradezu überhäuft hatte. Immer dann, wenn es so aussah, als ob sie die Geduld verlor und sich nicht mehr auf den nächsten Besuch vertrösten ließ, sondern darauf bestand, an den Hof zu kommen. Jedes Mal, wenn sie wieder von ihren geheimnisvollen Krankheiten schrieb und offensichtlich erwartete, dass er daraufhin an ihre Seite eilte. Es waren lauter Versuche gewesen, sich loszukaufen. Ein Geschenk aber, das nicht mehr aus Liebe erfolgt, sondern aus Gleichgültigkeit, hat keinen Wert für die Empfängerin, ganz gleich, wie sehr sie es sonst genießen würde.
    Appleyards Stimme schmetterte mir ins Ohr, während ich an meine eigenen Versuche dachte, mich loszukaufen, und mich fragte, ob meine Bereitschaft, sofort nach Cumnor zu gehen, nichts als ein weiterer solcher Versuch war.
    Doch von wem wollte ich mich loskaufen – von Amy, oder von Robin?

    Bis wir bei Humphreys Hof eintrafen, bestellte der schon mit seinen Knechten und Tagelöhnern seine Felder. Harkness war, wie wir erfuhren, nicht darunter. Großartig, dachte ich, obwohl ich nicht einmal wusste, ob ich mich ärgern oder erleichtert sein sollte. Dann sagte einer der anderen Tagelöhner, dass Harkness am Morgen, als jeder anständige Mann zur Arbeit ging, noch seinen Rausch vom Jahrmarkt in der Scheune ausgeschlafen habe.
    »Ich glaub nicht, dass er noch da ist«, meldete sich ein anderer Kerl zu Wort. Mir fiel auf, dass er ein kürzeres Bein hatte, denn er stand etwas windschief da, während er weitersprach. »Was wollt Ihr denn ausgerechnet von Harkness, Sir?«
    Ich gab ihm keine Antwort, sondern machte mich auf den Weg zur Scheune, Appleyard immer auf den Fersen. Er prallte gegen meinen Rücken, als ich im Eingang zur Scheune abrupt stehen blieb.
    Auf dem Boden lag ein Mann, der nur so lange wie ein schlafender Trunkenbold aussah, wie man nicht auf die Lache unter ihm achtete, die weder Wein, Bier noch Pisse sein konnte. Sie war noch nicht im Heu versickert und angetrocknet, was bedeutete, dass sie erst vor kurzer Zeit entstanden sein konnte. Wahrscheinlich erst, nachdem alle anderen mit Humphrey auf das Feld gezogen waren.
    »Ist er …«, fragte Appleyard zum ersten Mal seit unserem Zusammentreffen mit gesenkter Stimme.
    »Ja«, sagte ich, ohne meinerseits leise zu sprechen. Es gab keinen Grund mehr dazu. »Er ist tot.«

    Appleyard blieb nicht lange still. Ich war noch dabei, mich neben die Leiche zu knien und nach dem Werkzeug umzuschauen, mit dem jemand George Harkness’ Leben beendet hatte, als er zu fluchen begann und vor Gott als Zeugen schwor, dass dies bewiese, dass seine arme Schwester ermordet worden wäre.
    »Unsinn«, sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Sie hat diesen Mann noch nicht einmal gekannt. Anthony Forster hat ihn entlassen, bevor sie überhaupt in Cumnor eintraf.«
    »Und warum«, donnerte Appleyard, »habt Ihr dann behauptet, Ihr wolltet mit ihm sprechen, um den Tod meiner Schwester zu untersuchen?«
    Weil er offenbar die Gedanken Eurer Schwester lesen konnte, dachte ich, denn er wusste vor allen anderen, dass sie den Haushalt von Cumnor am Sonntag auf den Jahrmarkt schicken würde. Doch etwas riet mir, dies vorerst für mich zu behalten.
    »Keine Antwort, ja? Das kann nur bedeuten, dass …«
    Mir riss der Geduldsfaden. »Appleyard«, fuhr ich ihn an, »wenn Ihr helfen wollt, dann geht auf die Felder zurück und schnappt Euch den Kerl, der vorhin behauptet hat, Harkness wäre wohl nicht mehr in der Scheune. Ich schaue noch, ob ich hier irgendetwas Nützliches finde.«
    »O nein!« Appleyard verschränkte seine Arme. »Ihr wollt mich nur ablenken, um Beweise zu verstecken. Aber nicht mit mir! Nicht mit mir, habt Ihr verstanden?«
    Damit blieb mir nichts anderes übrig, als

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