Im Schatten der Königin: Roman
»Aber so Gott will, werden sich auch diesmal wieder die Wogen glätten. Unser Staatsschiff wird vom Sturm wieder ins ruhige Meer segeln.«
Cecil mochte, wie mein Mädchen immer betonte, ein kluger und fähiger Mann sein, aber er neigte so sehr dazu, in Gleichnissen und Sentenzen zu sprechen, dass ich manchmal meinte, an ihm sei ein Pfaffe verlorengegangen. Also konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, eine kleine Spitze anzubringen, hinter der meine ganze Sorge verborgen war.
»Mr.Secretary«, sagte ich, »ich will doch nicht hoffen, dass Ihr diese ruhigere Fahrt durch einen weiteren Kapitänswechsel zu sichern gedenkt?«
Die meisten Männer, die ich kenne, hätten darauf mit Empörung reagiert oder zumindest mit rotem Gesicht erklärt, sie seien ganz gewiss keine Verräter. William Cecil dagegen sah mich nur über seine lange Nase hinweg eindringlich an und entgegnete: »Nein, Mistress Ashley. Ich war lange auf der Suche nach dem besten Kapitän, das gebe ich zu, aber nun, da ich fündig geworden bin, da will ich keinem anderen mehr dienen. Doch es mag sehr wohl sein, dass wir Ballast abwerfen müssen, um den Hafen zu erreichen. Ein guter Kapitän versucht natürlich, die gesamte Mannschaft zu retten. Ein Navigator dagegen sieht die Sache manchmal etwas klarer und weiß, dass harte Entscheidungen getroffen werden müssen.«
Just deswegen hatte ich mit ihm sprechen wollen. Meine Gebete hatten mir nicht dabei geholfen, entweder mein Vertrauen in Gottes Plan für mein Mädchen wiederherzustellen oder mein Herz so sehr zu erhärten, dass ich in der Lage war, Robin Dudley selbst dem Tod zu überantworten. Ich brauchte irdischen Rat und Hilfe. Zuerst war ich froh, dass er mir gewissermaßen die Türe geöffnet hatte, um in dieses verfängliche Gebiet einzudringen, doch dann erwachte ein Funken Misstrauen in mir, eben weil es so einfach war. »Mein William« , hatte seine Gemahlin Mildred einmal zu mir gesagt, als ich sie fragte, ob sie unter Marys Herrschaft nicht um das Leben ihres Gatten fürchtete, »hat ein Talent dazu, andere Leute auf eine Weise für sich handeln zu lassen, die sie glauben macht, es sei ihre Idee gewesen, und deswegen mache ich mir auch keine Sorgen darum, dass er unter all den Katholiken bei Hofe überleben wird.«
»Es ist nur sehr schwer zu entscheiden«, sagte ich langsam, »was Ballast ist und was lebenswichtiger Proviant. Das stelle ich mir wenigstens so vor. Eine einfache Frau wie ich versteht natürlich nichts von der Seefahrt und muss erfahrene Navigatoren um Rat in solchen Dingen fragen.«
Ich hatte immer noch nichts von meiner Quelle in Cumnor gehört, und ich konnte nicht einfach den nächstbesten Knecht bitten, nach Kew zu wandern, bei Lord Robert Dudley vorstellig zu werden und um eine Stelle zu bitten. Aber Cecil, Cecil hatte Übung darin, anderswo Spione einzuschleusen. Vom Tod Königin Marys hatte er einen halben Tag vor all den anderen Edelleuten gewusst, die sich danach umgehend auf den Weg nach Hatfield zu meinem Mädchen machten. Ich wusste, dass Cecil sogar eine der Wäscherinnen bestochen hatte, um ihm darüber Bericht zu erstatten, ob die Königin auch regelmäßig ihre Blutungen bekäme, weil mir die Waschfrau das selbst gestand, als ich sie mit Geld in der Schürze erwischte, das sie nicht vom Haushofmeister hatte. Cecil würde es auch fertigbringen, einen Spion bei Robin Dudley einzuschleusen, da war ich sicher.
»Nun, Mistress Ashley, ohne ins Philosophieren zu geraten, möchte man meinen, dass alles, was vielleicht hübsch anzusehen, aber in seiner Wirkung schädlich ist, gewiss als überflüssiger Ballast bezeichnet werden kann.«
Hübsch anzusehen, aber in seiner Wirkung schädlich. Auf den verstorbenen Thomas Seymour traf diese Beschreibung gewiss zu, und wenn ich das nur rechtzeitig erkannt hätte, dann wäre viel Unheil verhindert worden. Aber ob sie auch für Robin Dudley galt, das konnte ich eben noch nicht mit letzter Sicherheit sagen. Ich musste an den Tag denken, als des alten Königs fünfte Gemahlin, die törichte kleine Kitty Howard, wegen Ehebruchs verhaftet wurde. Der ganze Hofstaat befand sich damals in Hampton Court, und es war eine der Zeiten, in denen der König seine gesamte Familie um sich haben wollte, auch mein Mädchen. Kitty Howard entkam ihren Wachen lange genug, um zu versuchen, über die Galerie in die Nähe des Königs zu gelangen, und wir hörten sie alle schreien, er möge sie doch anhören, sie sei unschuldig, er sei doch ihr
Weitere Kostenlose Bücher