Im Schatten der Königin: Roman
in der großen Halle eines edlen Hauses.«
»Ich hoffe, bei deinen Lobpreisungen des Vagabundendaseins hast du nicht erwähnt, dass der von den Musen Gerufene sich dann dringend nach einem edlen Herrn als Patron umsehen muss, weil er sonst vom Regen in die Traufe kommt«, sagte ich trocken. »Was weiter?«
»Nun, wie ich Euch bereits sagte, o Verächter der Künste, wir Schausteller müssen unsere Buchstaben zu setzen wissen, also konnte ich die Frage ganz natürlich einflechten.« Er sah mich zufrieden an.
»Und?«
»Hal Latimer und Fred Hughes können beide ihren Namen schreiben, aber nicht viel mehr. Der Koch dagegen kann sehr gut lesen, was ein Glück ist, weil die Mönche, die früher hier waren, einige Rezepte hinterlassen haben.«
»Und Claire Latimer?«, hakte ich nach.
Frobisher zog ein betrübtes Gesicht. »Da keine Frau je die edle Kunst des Schauspielens ausüben wird, konnte ich sie nicht fragen, doch wenn ihr Bruder nur seinen Namen beherrscht, wie sollte sie dann mehr vermögen?«
»Wie steht es mit Pirto?«
»Sir, wie ich schon sagte, ich bin auch nur ein Mensch. Pirto und der Drachen, der Mrs.Owen bewacht, stehen mir noch bevor. Da werde ich mir etwas anderes einfallen lassen müssen.«
Es lag mir auf der Zunge, ihm ungehalten zu sagen, dass diese beiden wichtiger als die Latimers gewesen wären, aber ich schluckte die Worte hinunter. Woher hätte er das wissen sollen? Letztendlich mochte alles hier wichtig sein, und bei Agnes Cross zumindest würde er wahrscheinlich ohnehin auf Granit stoßen, ganz gleich, wann er mit ihr sprach. Stattdessen nahm ich mir einen weiteren Apfel und warf auch ihm einen zu.
Erst als Frobisher verschwunden war, um in der Küche die Bettpfannen zu holen, um die ich für die Nacht gebeten hatte, wurde mir etwas bewusst, was mir früher hätte auffallen sollen: Er hatte mich nicht nach Harkness gefragt. Dabei war er es gewesen, der mir von seiner Begegnung mit dem Mann auf dem Jahrmarkt erzählt und mich somit noch einmal auf ihn aufmerksam gemacht, der mich so gut wie zu ihm geschickt hatte. Es hätte nichts näher für ihn gelegen, als neugierig zu sein und mich zu fragen, wie mein Gespräch mit Harkness verlaufen sei.
Es sei denn, Frobisher wusste, dass es kein solches Gespräch gegeben hatte, weil Harkness bereits tot war, als ich auf Humphreys Hof eintraf …
Ich schüttelte den Kopf. Nein, Frobisher war den ganzen Tag hier in Cumnor gewesen und hatte die Leute in der Küche ausgefragt. Wie sollte er also von dem Mord wissen?
DRITTES ZWISCHENSPIEL
H ofdamen und Minister haben für gewöhnlich nichts miteinander zu tun, wenn sie nicht derselben Familie angehören. Daher hatte ich mit William Cecil seit Elizabeths Krönung keine fünf Worte mehr gewechselt, die über »Guten Tag, Mr.Secretary« oder »Wie befindet sich Ihre Majestät heute, Mrs.Ashley?« hinausgingen. Vor der Krönung indessen war das völlig anders, wenigstens eine Zeitlang.
Als ich nach Thomas Seymours Tod wieder zu Elizabeths Gouvernante ernannt wurde, da war William Cecil derjenige, der mich von London nach Hatfield brachte, was mich ein wenig überraschte, denn ich kannte ihn vorher nicht; er war ein Fremder für mich. Damals arbeitete er noch für Edward Seymour, den Lord Protector, und so nahm ich denn an, dass es sich um einen letzten Versuch handelte, mich auf den Weg nach Hatfield etwas für mein Mädchen Verfängliches sagen zu hören. Doch wie sich herausstellte, tat ich ihm darin unrecht.
Cecil war einer der Männer gewesen, die Elizabeth im Namen des Lord Protectors verhört hatten. Dabei musste sie ihn beeindruckt haben, denn von diesem Zeitpunkt an leistete er ihr auf unauffällige Weise Hilfe, wo und wann er konnte. Als ihr Halbbruder Edward im Sterben lag, war es Cecil, der ihr eine Warnung schickte, auf keinen Fall nach London zu kommen, weil John Dudley plante, ihre Base Jane Grey auf den Thron zu setzen und sie und ihre Schwester Mary notfalls mit Gewalt bei der Thronfolge zu übergehen. Sie hörte auf ihn und entgegnete auf Dudleys Aufforderung, zum Totenbett ihres Bruders zu eilen, sie sei zu krank zum Reisen. Ihre ältere Schwester Mary dagegen brach zwar auf, doch erst, nachdem sie eine kleine Armee um sich gesammelt hatte.
»Mary ist bestimmt auch von Cecil gewarnt worden«, sagte Elizabeth damals zu mir, und als ich sie fragte, ob sie Cecil denn für einen solchen Wendehals halte, schüttelte sie den Kopf. »Nein, aber für einen klugen Mann und einen, der
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