Im Schatten der Königin: Roman
verstorbenen Königin Mary verbrannt wurden. Aber ich muss gestehen, die Königin selbst dauerte mich auch. Sie war so hoffnungslos in den Spanier vernarrt, den sie geheiratet hat, dass sie alles von ihm hinnahm und alles für ihn tat. Und wie hat er es ihr gelohnt? Er hat sie betrogen und verlassen, sobald er konnte, als deutlich war, dass sie ihm kein Kind schenken würde. Allein gelassen mit dem Grimm des Volkes, den er mit verursacht hatte. Nun, er war schon einmal verheiratet, und da verhielt er sich wohl nicht anders. Was hat man da je anderes erwarten sollen? Aber es gab niemanden, der die Königin Mary vor ihrer eigenen Schwäche schützte.«
Anders als bei seinen vorherigen Sentenzen war er diesmal überdeutlich, und ich begann, mich zu fragen, warum er nicht schon längst etwas gegen Robin Dudley unternommen hatte, wenn er ihn wirklich für eine solche Gefahr hielt. Gewiss hatte er diese Schlussfolgerung nicht erst seit Amy Dudleys Tod gezogen, nicht William Cecil, der – wie mein Mädchen einmal sagte – es fertigbrachte, drei Ecken vorauszudenken. Mein eigener Verstand war nicht mit solchen Windungen vertraut, und mein Herz war immer noch voller Zweifel; ein Teil stimmte Cecil zu, ein Teil stritt dagegen. Und nun kam auch noch ein Drittes hinzu, die Frage, die ich mir stellen musste. Mein Kopf schmerzte.
Auf einmal fielen mir die Bücher ein, die Cecils Gemahlin Mildred mir gegeben hatte. Damals war ich froh darum gewesen und hatte mich geehrt gefühlt, als Frau von Bildung behandelt zu werden und nicht als einfache Gouvernante. Aber man hatte die Bücher bei mir gefunden, und nicht in ihrem Haushalt, und ihr Mann sah immer um drei Ecken voraus.
»Den gab es wohl nicht«, sagte ich langsam. »Aber wisst Ihr, die verstorbene Königin hat nicht immer so ein schlechtes Urteil bewiesen. Es gab Zeiten, in denen ihr jeder Pfaffe in den Ohren damit lag, dass sie ihre Schwester hinrichten lassen sollte, und gewiss hat sie in ihrem Herzen bitteren Groll getragen, aber letztendlich hat Königin Mary unserer Herrin die Möglichkeit gegeben, sich zu rechtfertigen. Sie hat sie nicht ungesehen und ungehört verurteilt und als Ballast über Bord geworfen, obwohl es gewiss so manchen Ratgeber gab, der ihr das riet. Denkt Ihr nicht auch, dass es also wohlgetan ist, jedem erst die Möglichkeit zu geben, sich zu rechtfertigen, wenn er seine Fehler erkannt hat, Sir William?«
Die Dringlichkeit verschwand aus seinem Gesicht, bis es sehr glatt und ausdruckslos wurde. »Gewiss«, sagte er, »gewiss, Mrs.Ashley. Darf ich Euch nun aber fragen, worüber Ihr eigentlich mit mir sprechen wolltet? Es gibt so viel zu erledigen, und die Zeit drängt, wisst Ihr.«
»Das tut sie«, stimmte ich zu und fasste einen Entschluss. »Ich wollte Euch bitten, Robin Dudley in Kew einen Besuch abzustatten, Mr.Secretary. Ihr seid nicht sein Freund, und ein Besuch von Euch kann nicht als geheime Botschaft der Königin missverstanden werden. Es heißt, dass sich in der Not die wahren Farben eines Menschen zeigen. Ein so kluger, umsichtiger Mann wie Ihr kann gewiss beurteilen, was er dort sieht und ob Robin Dudley immer noch nach der Hand der Königin strebt.«
Cecil sah mich prüfend an. Vermutlich wusste er, dass es nicht nur Robin Dudleys wahre Farben waren, die ich erprobt sehen wollte.
Kapitel 9
Donnerstag, 12. September 1560
A ls Frobisher mich am Morgen fragte, was ich in Oxford wollte, sagte ich, ich müsste mich um einen angemessenen Gottesdienst für Amys Beerdigung kümmern. »Es kann sein, dass ich erst in ein, zwei Tagen nach Cumnor zurückkehre«, ergänzte ich beiläufig, mir nur zu bewusst, dass er nicht auf den Kopf gefallen war.
»Weil Ihr my lord persönlich Bericht erstatten wollt«, schlussfolgerte er richtig und fuhr fort: »Dann, Master Blount, sollte ich Euch begleiten. Ihr habt gesagt, Ihr wolltet mir eine Woche geben, aber wie soll ich mich beweisen, wenn ich so gut wie nie an Eurer Seite bin? Ich bitte Euch.«
Was mir auffiel, war, dass er dies ohne seine üblichen Faxen oder Übertreibungen vorbrachte. Nichts als Ernsthaftigkeit sprach aus seinen Worten.
»Frobisher«, sagte ich, »ich habe dir hier einen Auftrag gegeben. Sei unbesorgt, es handelte sich nicht um ein Ablenkungsmanöver. Es ist wirklich sehr wichtig, ungeheuer wichtig sowohl für mich als auch für my lord, zu wissen, wer in diesem Haushalt schreiben und lesen kann und wer nicht. Bisher hast du es mir nur von einem Teil des Gesindes sagen
Weitere Kostenlose Bücher