Im Schatten der Königin: Roman
einmal war.
In Oxford sind sie stolz darauf, die älteste Universität im Königreich zu sein. Ein Gelehrter aus Cambridge namens Roger Ascham lag mir hingegen lange Zeit in den Ohren, um wie viel besser seine eigene Universität sei. Ascham hatte die älteste der Grey-Schwestern und die Prinzessin Elizabeth unterrichtet, was John Dudley dazu brachte, ihn auch für seine Söhne anzuheuern. »Nun, Cambridge ist auf alle Fälle billiger«, meinte ich, denn Ascham kostete John damals nicht so viel wie ein einziges Gastmahl zu Ehren von Erzbischof Cranmer, der in Oxford studiert hatte. Meiner Erfahrung nach hatten Gelehrte, die doch angeblich in erster Linie Bücher wälzen sollen, alle einen nimmersatten Magen, doch Ascham war jung genug, um noch auf seine Figur zu achten, und wandelte überdies damals gerade auf Freiersfüßen. Er litt allerdings unter der Krankheit aller Gelehrten, dem Veröffentlichungswahn. Deswegen hatte er die Stelle bei den Dudleys überhaupt angenommen: Er brauchte einen Patron, der seine Bücher finanzierte, und dazu waren Emporkömmlinge wie die Dudleys besser geeignet als Mitglieder der königlichen Familie, die Lobpreisungen von unnützen Federschwingern nicht nötig hatten. Mit den Gelehrten um uns war es natürlich vorbei, als die Dudleys in Ungnade fielen, und man kann es ihnen nicht verdenken. John und Guildford verloren ihre Köpfe, gewiss, doch es gibt schlimmere Arten zu sterben, gerade, wenn man Bücher geschrieben hat. Bischof Cranmer war dafür in Oxford als Ketzer verbrannt worden, und nicht er allein.
Ich kannte einige der in Oxford lebenden Scholaren, da die ganze veröffentlichungswütige Meute Robin als Patron entdeckt hatte, aber es waren fast ausschließlich Mediziner und Mathematiker, keine Theologen. Nebenbei bemerkt: Der verstorbene Roger Ascham prophezeite, dass Robin es nie zu etwas bringen würde, weil er »die Gleichungen Euklids den hehren Worten Ciceros vorziehe« .Meine Base Jane hatte Robin in meiner Gegenwart beunruhigt gefragt, was das heißen sollte. »Mir macht Mathematik mehr Freude«, verteidigte er sich. Der Witz an der ganzen Angelegenheit ist, dass man nicht meinen möchte, dass Robin rechnen kann, wenn man sich manche der Unternehmungen ansieht, die er heute unterstützt; ich könnte mir immer noch die Haare raufen beim Gedanken an die Veröffentlichung über Pferdemedizin.
Kurzum, ich würde bei meiner Suche nach einem Theologen, der die Predigt bei Amys Beerdigung halten sollte, nicht auf jemanden zurückgreifen können, der in der Schuld der Dudleys stand, aber vielleicht kannte einer der medizinischen Doktoren ja jemanden, der geeignet war.
Auf dem Weg zum ersten der schmarotzenden Scholaren schaute ich bei den beiden Häusern von St. Michael am Nordtor vorbei. Wie ich erwartet hatte, kannte dort niemand eine Barbara Cross. »Eine junge Frau mit einem Talent für Blumengewinde«, ergänzte ich, aber der alte Mann, der die Tür des Hauses geöffnet hatte, schaute noch verständnisloser drein. Nun, ich hatte gewusst, dass ich nur meine Zeit verschwenden würde, als Agnes Cross mir die Straße mit einem Lächeln genannt hatte. Dennoch hätte ich in diesem Fall lieber nicht recht behalten.
»Ich weiß nichts von Blumen«, sagte der alte Mann bedauernd, nur um hoffnungsvoll hinzuzufügen, »aber ich bin Kerzenzieher. Vielleicht braucht Ihr ein paar Kerzen, Sir?«
Ich drückte ihm eine Münze in die Hand und bat ihn, davon zwei Kerzen in St. Michael zu stiften, eine für den Seelenfrieden einer lieben Toten, die andere für die Erleuchtung einer unlieben Lebenden mit der Angewohnheit, Lügen zu erzählen. »Ein Alptraum für sie als Belohnung wäre nicht verkehrt«, schloss ich grimmig, nickte ihm noch einmal zu und war kaum zwei Schritte gegangen, als mich eines der verwünschten Schweine erwischte und flach auf der Nase liegend im Dreck von Oxford zurückließ.
»Ein böser Fall für einen bösen Wunsch«, sagte die Stimme eines jungen Mannes erheitert. »Doch das mag meine Schuld sein, denn ich hatte dem Schwein gerade einen Tritt versetzt, um es zu verscheuchen. Ich hoffe, Ihr vergebt mir, Sir.«
Ich blickte auf und sah, wie mir ein Mitglied des schwarzgewandeten Gelehrtenvolks die Hand entgegenstreckte, um mir aufzuhelfen. Mühsam schluckte ich den Wunsch hinunter, er möge sich um seine eigenen Angelegenheiten scheren und keine Schweine auf mich hetzen; stattdessen ergriff ich seine Hand, die für einen nutzlosen Schöngeist erstaunlich fest
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