Im Schatten der Königin: Roman
Argumentation.«
»Das … ist logisch«, räumte er stirnrunzelnd ein.
»Es mag ja nicht der studierte Weg sein«, sagte ich zufrieden, »aber ich finde es nützlich, mir den schwierigen Holzklotz, der im Weg liegt, erst einmal genau anzuschauen, bevor ich versuche, ihn auf die Art fortzuräumen, die mir die liebste ist. Dabei erkennt man nämlich häufig, dass man sich nach einer anderen Lösung umschauen muss.«
»Ich kenne ein paar griechische Philosophen, die Euch da zustimmen würden«, sagte er, »nur haben sie es nicht so direkt ausgedrückt. Ihr seid ein kluger Mann, Master Blount.«
»Ich habe überlebt.«
Campion sagte nichts mehr, bis wir den traurigen Ort hinter uns gelassen hatten. Ich hegte auch nicht den Wunsch, weiter über Cranmer oder Glaubensfragen zu sprechen. Amy fragte mich einmal, ob ich mich noch an die Zeit erinnern könnte, in der der alte König Henry ein glühender Katholik gewesen war und es in England nur einen Glauben gegeben hatte; sie selbst war natürlich viel zu jung dafür. Ich sagte ihr, dass es auch damals nicht leicht gewesen sei, zu wissen, was einen auf den Scheiterhaufen brachte. In der kurzen Zeit, in der Thomas More Kanzler war, kurz bevor der König sich und uns endgültig von Rom trennte, ließ er sechs Menschen wegen Ketzerei verbrennen. Einer davon war ein weitläufiger Verwandter von mir; auch deswegen halte ich nichts von all der Gelehrsamkeit, die einem bestenfalls nichts nützen und schlimmstenfalls Ärger bereiten kann, dem man hilflos ausgeliefert war. Lesen und Schreiben, das ist nützlich, und auch die Sprache der Franzosen, weil wir sie nun einmal direkt vor unserer Haustür haben und gewiss irgendwann wieder bekriegen werden, vor allem, da ihre derzeitige Königin behauptet, auch die rechtmäßige Herrscherin Englands zu sein. Aber alles andere bringt nur Kummer.
»Wie lautet der Name Eurer Nadel?«, fragte Edmund Campion, als wir in der Gaststube saßen, und ich erzählte ihm das wenige, das mir über Barbara Cross bekannt war. Bis der Wirt an unseren Tisch trat, hatte sich mein Wissen erschöpft.
Campion stützte seine Ellbogen auf den Tisch und presste seine Finger gegeneinander.
»Ein Mädchen also, das erst dämonische Besessenheit vorgibt und später einräumt, gelogen zu haben, statt bei ihrer Geschichte zu bleiben. Und dazu Familienangehörige, die ihren Aufenthalt verschleiern oder falsche Wohnorte angeben. Man muss wahrlich keine Philosophen bemühen, um da eine höchst undämonische Verfehlung zu vermuten, deren Ergebnis nicht so einfach zu verbergen war.«
»Edmund Campion, Ihr erstaunt mich!« Ich konnte einfach nicht widerstehen, ihn mit freundlichem Ton herauszufordern. »Heißt das etwa, was man sich über das gottlose Oxford erzählt, ist wahr, und sie lehren Euch hier auch den Zweifel an den Auftritten des Leibhaftigen?«
Anders als die meisten Gelehrten, denen ich begegnet war, wusste er, wann er geneckt wurde, bewies Sinn für Humor und grinste. Doch dann wurde er schnell wieder ernst.
»Wenn jeder Heller, der für ein Pamphlet über Teufelserscheinungen ausgegeben wird, stattdessen den Armen gespendet würde, dann gäbe es bald deutlich weniger Unglückliche. Der Teufel weilt unter uns, gewiss. Doch ich glaube nicht, dass er Dorfmädchen heimsucht. Ich fürchte vielmehr, in den letzten Jahrzehnten waren Menschen in weit höherer Stellung sein Werkzeug.«
Ich mochte mich irren, doch das schien mir schon wieder auf Cranmer und den alten König Henry hinauszulaufen. Nicht, dass ich für die Seligkeit des alten Königs meine Hand ins Feuer legen würde; es heißt, seine Leiche hätte in der Zeit zwischen seinem Tod und der Beerdigung Gase von sich gegeben, die den Sarg sprengten, und die Hunde hätten angefangen, seinen Körper zu fressen, bis man sie verjagte und einen neuen Sarg fand.
Ein solches Schicksal trifft in der Bibel auf Herrscher zu, die für die Hölle bestimmt sind, wie Isebel, die Feindin des Propheten Elias; so viel weiß selbst ich durch all die Predigten, denen ich beiwohnte. Aber darüber sollte man nur mit Menschen sprechen, denen man absolut vertraute, also ignorierte ich Campions letzten Satz.
»Nun, wenn wir uns einig sind, dass die kleine Cross gelogen hat und stattdessen wahrscheinlich ein Kind erwartete, dann fragt man sich doch, warum nicht mehr Leute das glauben. An allen Orten wird viel geklatscht. Und in einer Welt, in der das Gerücht unsere jetzige Königin, die seit ihrer Thronbesteigung
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