Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
verdächtig wie Enttäuschung anhörte.
    Geh weiter, dachte ich, geh weiter. Lass dich auf nichts ein.
    Doch ich konnte nicht anders: Ich drehte mich um.
    Ediths Miene erinnerte mich an den Tag, an dem sie versucht hatte, die Magd, die auf uns beide achten sollte, mit ihrer Halskette zu bestechen, damit diese sie fortlaufen ließ, und hören musste, dass es sich bei diesem Geschenk ihres Vaters nicht um Gold handelte, sondern nur um Bronze aus Cornwall.
    »Ich bin nicht in der Stimmung für Rätsel so früh am Morgen, Mrs.Odingsells. Wenn es etwas gibt, was Ihr mir mitzuteilen wünscht, dann sprecht es klar aus. Es sieht Euch«, konnte ich nicht umhin, hinzuzusetzen, »nicht ähnlich, es bei Andeutungen zu belassen.«
    Sie sah mich an und schüttelte den Kopf. »Ich meine genau das, was ich gesagt habe«, gab sie zurück. »Ihr kommt hierher und redet davon, die Wahrheit herauszufinden, dabei wollt Ihr nur vor der Wahrheit davonrennen, denn sie ist doch sonnenklar. Eine Frau ist tot, Blount. Wenn sie Euren Vetter nicht geheiratet hätte, dann wäre sie noch am Leben. Das ist der Wald, den Ihr vor lauter Bäumen nicht sehen wollt. Selbst wenn Ihr morgen herausfändet, dass my lady Dudley sich vom höchsten Kirchturm gestürzt hat oder von einem gesetzlosen Räuber überfallen wurde, dann würde es nichts an jener Wahrheit ändern.«
    »Dank sei Gott, dass Frauen nicht zu Richtern bestellt werden«, sagte ich schnell, tiefer getroffen, als ich zugeben wollte. »Ihr macht es Euch mit Eurem Urteil reichlich einfach. Wollt Ihr denn, dass my lord Dudley und ich die Köpfe verlieren, nur weil er ein besserer Ehemann hätte sein können und ich auf seiner Seite stehe, während vielleicht ein Mörder frei davonkommt? Wäre das Eurer Ansicht nach Gerechtigkeit, Mistress?«
    Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, und ich wusste ihn nicht länger zu deuten. »Nein«, sagte sie endlich. »Aber in einer gerechten Welt wäre es Frauen und Männern verboten, zu heiraten, ehe sie einander wirklich kennen. Damit würde viel Unglück vermieden.«
    Der Umstand, dass wir einander als Kinder gekannt hatten, mochte gewiss dazu beigetragen haben, sie als Ehefrau für mich undenkbar zu machen, doch ich glaubte nicht, dass sie sich darauf bezog; nein, es waren wohl eher Amy und Robin gemeint.
    In diesem Punkt hatte sie nicht ganz unrecht, aber sie gab für meinen Geschmack immer noch zu sehr ihrer weiblichen Tendenz zu Verallgemeinerungen nach.
    »My lady Dudleys Wesen lag klar auf der Hand für jeden, der ihr begegnete«, begann ich und wollte hinzufügen, dass eine Ehe mit einem Sohn John Dudleys in jedem Fall eine Ehe mit einem ehrgeizigen Mann bedeutet hatte, auch wenn man jung und verliebt war; so konnte ich Edith Odingsells These widerlegen, dass Wesenskenntnis späteres Unglück verhindert hätte. Doch ich kam nicht dazu.
    »Meint Ihr das wirklich, Tom Blount?« Ihre Lippen kräuselten sich spöttisch.
    »Selbstverständlich«, sagte ich überrascht.
    »Es würde mich wundern, wenn Ihr nur die leiseste Ahnung davon gehabt hättet, was in ihrem Kopf tatsächlich vorging«, sagte Mrs.Odingsells abschätzig. »Wie ich Euch kenne, habt Ihr von Amy Dudley nicht mehr wahrgenommen als den hübschen Augenaufschlag. Männer! « Damit raffte sie ihre Röcke, drehte mir den Rücken zu und schritt über den Hof in Richtung des Küchengebäudes.
    Frobisher, der unterdessen aufgetaucht war, sich während dieses kurzen Wortwechsels allerdings erstaunlich respektvolle zwei Schritte weit entfernt von uns gehalten hatte, gesellte sich sofort wieder an meine Seite und stellte mit gesenkter Stimme fest: »Master Blount, nach Eurer Rückkehr solltet Ihr Mrs.Odingsells noch einmal über my lady Dudley ausfragen, und ich bitte Euch auf den Knien meines Herzens, lasst mich dabei sein.«
    »Warum?«, entgegnete ich überrascht. »Hast du etwas gehört, dass dich annehmen lässt, sie wüsste mehr, als sie mir bisher erzählt hat?« Unmöglich war das nicht, doch erschien es mir unwahrscheinlich, denn Edith Odingsells hatte niemals dazu geneigt, mit ihrer Meinung zu irgendeiner Angelegenheit hinter dem Berg zu halten, wie sie erst gerade wieder bewiesen hatte.
    Frobisher warf mir einen belustigten Blick zu. »Mit Verlaub, Herr, keine Frau, die ich je gekannt habe, erzählt einem sofort immer alles, was sie weiß. Doch ich muss gestehen, dass es mir vor allem auf das Privileg ankommt, Mistress Odingsells und Euer wertes Selbst bei einem längeren Gespräch zu

Weitere Kostenlose Bücher