Im Schatten der Königin: Roman
war er vom einfachen Hauskaplan zum Erzbischof von Canterbury aufgestiegen, worauf er die erste Ehe König Henrys für ihn annullierte und ihn mit Anne Boleyn traute. Vor den Flammen hatte ihn dies später nicht retten können, und ich fragte mich, ob es wirklich ein Trost für ihn gewesen wäre zu wissen, dass man ihn nicht vergaß wie so viele andere.
Campion bekreuzigte sich vor dem Gedenkstein. »Ich habe ihn brennen sehen. Es war ein langer Tod, und qualvoll«, sagte er mit belegter Stimme. »Gott sei seiner Seele gnädig. Ich wünschte nur, er wäre anders gestorben.«
»Durch das Schwert oder die Axt?«, fragte ich und versuchte, nicht daran zu denken, dass auch diese Hinrichtungsart manchmal alles andere als einen schnellen Tod bereitete. Wenn der Henker sein Geschäft verstand, gewiss. Aber bei Robins Bruder Guildford hatte es drei Hiebe gebraucht, und seine Lippen hatten sich bis zum Schluss noch bewegt. »Wenn ich je auf dem Block ende«, hatte Robin gesagt, an jenem Tag in Frankreich, als ein weiterer seiner Brüder gestorben war und wir uns gemeinsam betrunken hatten, »verlange ich ein Schwert.«
»Nein«, entgegnete Edmund Campion zu meiner Überraschung, »ich wünschte, er wäre reuig und freigesprochen von seinen Sünden gestorben. Ich kann nicht glauben, dass er wirklich bereut hat. Er hat es behauptet, um die Königin Mary dazu zu bewegen, ihn zu begnadigen, aber als sie es ablehnte, hat er sofort wieder auf seine alten Thesen geschworen. Ich weiß, dass es nun nicht mehr schicklich ist, das zu sagen, Sir, aber für mich war Erzbischof Cranmer kein Held. Er schwankte in seinen Überzeugungen und hat sich immer von der Angst vor demjenigen, der auf dem Thron saß, leiten lassen, bis zu seiner letzten Stunde. Erst da war er bereit, für das zu sterben, woran er glaubte, und ich wünschte, ich könnte sagen, es wäre das Richtige gewesen.«
»Nun, Ihr führt eine offene Sprache«, sagte ich und dachte, dass von einem jungen Mann, der in einem unter Mary gegründeten College für Priester studiert hatte, vielleicht nichts anderes zu erwarten war. Irgendjemand sollte ihm allerdings klarmachen, dass das Credo von heute immer die Ketzerei von morgen sein konnte. »Und Ihr seid noch sehr jung. Cranmer mag nicht immer wie ein Held gelebt haben, aber er hat überlebt, bis vor fünf Jahren, versteht sich, und heute sprechen wir alle die Worte, die er geschrieben hat, wenn wir beten. Mir scheint, das ist ein Sieg und größer als so mancher auf dem Schlachtfeld. Wenn er als junger Mann schon auf dem Märtyrertod bestanden hätte, dann hätte er der Menschheit nichts gegeben und nur für sich gelebt.«
Campion sah mich nachdenklich an, doch in seinen Augen blitzte bereits die Lust an der Debatte. »Ich finde, Ihr sprecht Cranmer und seinen protestantischen Lehren zu leicht den Sieg zu. Es war Gottes Wille, dass wir nach den Jahren unter Henry und Edward wieder eine katholische Königin bekamen: Er wollte gewiss, dass England in den Schoß der Kirche zurückkehrt. Das kann sich wieder so fügen. Königin Elizabeth hat sich von einem katholischen Bischof krönen lassen. Sie ist jung, sie wird bald heiraten müssen, und die wenigen protestantischen Fürsten, die es auf dem Kontinent gibt, die Schweden und den einen oder anderen deutschen Herzog, der sich von Luther bekehren hat lassen, die können ihr und unserem armen England wohl kaum die Macht und den Reichtum bieten, den wir nach all den bitteren Zeiten brauchen. Jeder andere Prinz ist katholisch. Ganz gewiss sind es die in Frankreich und Spanien, und es wird eine der beiden Mächte sein müssen, weil die andere dann unser Feind werden wird, wenn die Königin erst eine Entscheidung getroffen hat. Ein Gatte aber ist das Haupt seiner Ehefrau, und sie wird seine Religion annehmen. Also sage ich Euch: Die katholische Religion wird in England siegen! Quod erat demonstrandum «, schloss Campion triumphierend, räusperte sich und fügte noch hinzu: »Was zu beweisen war. Entschuldigt. Ich hatte vergessen, dass ich nicht im College bin.«
»Mein Freund, ich habe zwar nicht studiert, aber ich kann Euch trotzdem beweisen, dass Ihr Unsinn redet«, sagte ich kopfschüttelnd. »Unsere Königin ist für die Katholiken ein Bastard. Sie kann sich nicht zum Katholizismus bekennen, ohne sich selbst für unehelich und ihren eigenen Anspruch auf den Thron für ungültig zu erklären. Niemand sägt an dem Ast, auf dem er sitzt – und damit beende ich meine
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