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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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studieren.«
    »Warum denn das, bei allen Heiligen?«, fragte ich, zu verblüfft, um ärgerlich zu sein.
    »Um der Kunst willen natürlich, Herr, um der Kunst willen! Genauer gesagt, um meiner Kunst willen. Wisst Ihr, was die Leute in Wirtshäusern mehr und mehr sehen wollen? Feurige Dispute zwischen Mann und Weib, widerspenstige Weibsbilder, die vom richtigen Mann gezähmt werden. Noch ein Jahr oder zwei, und ich bin zu alt für Frauenrollen, deswegen ist es mir eilig damit. Mistress Odingsells scheint mir das ideale Vorbild zu sein.«
    Ich starrte seine dürre Gestalt an, versuchte, ihn als Edith Odingsells zu sehen, und scheiterte kläglich. Diego, meine beste Quelle bei der spanischen Delegation, murmelte hin und wieder etwas darüber, wie seltsam es sei, dass in unserem Land die Frauenrollen von Knaben und jungen Männern gespielt werden. Es gehört zu den Seltsamkeiten auf dem Kontinent, dass die Menschen dort Gesetze gegen Frauen auf dem Thron haben, aber nicht dagegen, dass sie sich ungeniert als Gaukler zur Schau stellen. Was mich jetzt ungläubig schnauben ließ, war in erster Linie Frobishers Gestalt und in zweiter das, was seine Worte anzudeuten schienen.
    »Bei allem Respekt vor dem verstorbenen Odingsells, den ich zwar nie gut gekannt habe, der aber die Geduld eines Heiligen besessen haben muss, wage ich zu bezweifeln, dass man Mistress Odingsells auf irgendeine Weise als gezähmt bezeichnen kann, und ich möchte klarstellen, dass ich dem Schicksal sehr dankbar bin, dass ich niemals in der Lage war – noch je in der Lage sein werde –, mich an einer derartigen Unternehmung zu versuchen«, sagte ich streng.
    »Wenn Ihr das sagt, Herr«, gab Frobisher mit einem pfiffigen Gesichtsausdruck zurück. »Aber ich meine trotzdem, dass ein weiteres Gespräch mit Mistress Odingsells für Euch von Nutzen wäre. Mrs.Owen, so heißt es beim Gesinde, hat ihren Verstand nur noch selten genügend beisammen, um sinnvolle Unterhaltungen zu führen, Mrs.Forster ist nicht hier, und damit bleibt Mrs.Odingsells als die einzige Dame von Rang, der sich my lady Dudley anvertraut haben könnte. Meint Ihr nicht, dass unter diesen Umständen …«
    »Hm«, knurrte ich, weil ich nicht laut aussprechen wollte, dass er recht hatte. Ich würde noch einmal mit der Kratzbürste reden müssen.
    Frobisher deutete mein Geknurre richtig. »Ich verspreche Euch, dass ich keinen Laut von mir gebe. Ihr werdet überhaupt nicht merken, dass ich im Raum bin.«
    Ich hätte ihn darauf hinweisen können, dass ich nicht eingewilligt hatte, ihn bei diesem Gespräch zuhören zu lassen, doch das hätte mir gewiss nur weitere leidenschaftliche Bitten eingebracht. Ein wenig erinnerte mich Frobisher an meinen ältesten Sohn, wenn ich Kidderminster besuchte und er genau wusste, dass ich ihm und seinem Bruder eine Kleinigkeit mitgebracht hatte, meist Zuckerwerk, wie es nur von den Köchen bei Hofe und in London hergestellt wurde. Mein Junge hatte sich auch nie gedulden können und bettelte so lange, bis er sein Geschenk bekam.
    »Verrate mir eines«, sagte ich stattdessen. »Warum willst du die Rolle des widerspenstigen Weibes spielen und nicht die des siegreichen Mannes?«
    Diesmal war der Blick, den er mir schenkte, beinahe mitleidig. »Weil die Widerspenstige diejenige ist, welcher die Aufmerksamkeit des Publikums gehört. Männer, ob nun stark oder nicht, sind im Vergleich dazu langweilig. Frauen sind die besseren Rollen, Master Blount. Die weit besseren Rollen.«

    Oxford liegt zwei Meilen von Cumnor entfernt, die wir in dem Ruderboot, das Frobisher besorgt hatte, hinter uns brachten. Der dauernde Regen hatte endlich aufgehört, aber wie ich vorhergesehen hatte, waren die Wege wegen der unzähligen Schlammlöcher kaum passierbar. In London gab es einige Straßen, die mit Backsteinen gepflastert waren, aber davon konnte man natürlich in der Provinz nur träumen.
    Die Einzigen, die an diesem Morgen ihr Vergnügen an den schlammigen Wegen hatten, waren die Schweine. Wie überall, so rannten auch in Oxford einige durch die Straßen. Angeblich ist das in Frankreich verboten, oder sie müssen Glöckchen um den Hals tragen, weil irgendein französischer Prinz durch ein Schwein umgekommen ist; in meiner Jugend gab es ein paar gute Witze darüber. Aber als ich in der Stadt eintraf, wäre ich für etwas warnendes Geläut durchaus dankbar gewesen. So ein Schwein kann schnell sein, und ich bin nicht mehr so gut darin, zur Seite zu springen, wie ich es früher

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