Im Schatten der Königin: Roman
ständig von allen Seiten beobachtet wird, mit zwei oder drei Kindern beschenkt, müsste doch jede Klatschbase in Abingdon auf den gleichen Gedanken gekommen sein, was Barbara Cross betrifft.«
Er nickte. »Vor allem, wenn sie die Stadt verließ, während ihr Körper noch geschwollen war. Das bringt mich zu der Eliminierung des Unmöglichen, Sir. Ich stelle die These auf, dass Barbara Cross kein Kind mehr erwartete, als sie Abingdon verließ, und lange genug nach ihrer Behauptung, besessen zu sein, blieb, um der Welt wieder ihren schlanken Körper zeigen zu können.«
»Ich bin Vater von zwei Kindern«, gab ich zurück und schüttelte den Kopf. »Keine Schwangerschaft lässt sich neun Monate lang verbergen.«
»Nicht neun Monate«, sagte Campion. »Es ist eine betrübliche Tatsache, dass manche junge Frau in Leibesnot zu Engelmacherinnen geht. Lasst mich postulieren, dass diese junge Frau desgleichen tat und dass die Symptome ihrer Besessenheit nicht die von Schwangerschaft, sondern des unnatürlichen Endes derselben waren.« Er bekreuzigte sich. »Gott erbarme sich ihrer und ihres Kindes. Natürlich wäre sie vor Gericht gestellt und wegen Mordes hingerichtet worden, wenn ich recht habe und es nachgewiesen hätte werden können, und so haben ihre Familienangehörigen allen Grund, niemandem zu verraten, wo sie sich jetzt befindet.«
Diese Möglichkeit war mir noch nicht in den Sinn gekommen. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, Barbara Cross als Mutter eines kleinen Jungen oder eines kleinen Mädchens im richtigen Alter zu finden, unter einem anderen Namen natürlich. Aber selbst wenn ein uneheliches Kind eine Schande für die ganze Familie war und seine Mutter ihr Leben lang als Hure brandmarkte, so war es doch kein Verbrechen; Kindsmord dagegen wurde, wie Campion richtig sagte, mit dem Tod geahndet, nicht nur für die Mutter, sondern auch für alle Mithelfer. Wenn sich die junge Barbara an so etwas schuldig gemacht hatte, ob mit oder ohne Zutun der Ihren, dann würde ich aus keinem Cross je eine wahrheitsgemäße Auskunft herausholen, und auch der ehrliche Ned hatte mich belogen mit dem Hinweis auf Oxford.
Und war es möglich, dass Amy durch einen unglücklichen Zufall, ein unvorsichtiges Wort von Agnes Cross etwas darüber herausgefunden hatte? Sollte ihr dies zum Verhängnis geworden sein, weil der Vater von Barbara Cross’ Kind ihrer Neugier ein Ende setzen wollte?
Nein. Ich schüttelte unwillig den Kopf. Ich begann, Gespenster zu sehen, wo keine waren. Oder zumindest nicht diese.
»Hmmm«, brummte ich. »Und was ist damit, dass ein entlassener Stallknecht und späterer Tagelöhner auf einmal ebenfalls den Teufel sieht, ihn genauso beschreibt wie Barbara Cross und plötzlich das Zeitliche segnet? Wie passt das in das Bild, das Ihr mir gerade gezeichnet habt?«
Unser Fisch kam, und mein Magen vollführte Freudentänze. Unter Königin Mary, als die katholischen Feiertage und das katholische Fasten wieder eingeführt wurden, war ich des Fischs manchmal überdrüssig geworden, aber seither nicht mehr und vor allem nicht in dieser Woche, in der ein gut gebratener Bachsaibling genau das war, wonach mir das Herz stand, nach all dem Geflügel und Obst bei Forster.
»Er kann einfach ihre Beschreibung wiederholt haben, die er vor ein paar Jahren mit Sicherheit genau wie der Rest des Ortes gehört hat«, entgegnete Campion. »Vielleicht, um sich interessant zu machen, vielleicht, weil er mehr über die Geschichte weiß und wirklich ein Zusammenhang besteht. Ihr solltet Euch allerdings nicht nur auf eine Spur versteifen, wenn Ihr ein guter Jäger sein wollt.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Und was weiß ein Gelehrter von der Jagd, hm?«
»Nur das, was ich gelesen habe«, bekannte er, und seine Mundwinkel zuckten. »Außerdem versuche ich, das anzuwenden, was Ihr mir vorhin über das Durchdenken der Schwierigkeit vor der Lösung gesagt habt.«
Wir machten uns beide an unseren Fisch, und eine Zeitlang war das Einzige, was wir von uns gaben, unser genüssliches Schmatzen. Insgeheim gestand ich mir ein, dass Campions These durchaus möglich war, und selbst wenn nicht, so war der einzige Zusammenhang, der sich zwischen Harkness’ und Amys Tod herstellen ließ, der, dass er aus unerklärlichen Gründen offensichtlich bereits am Samstag gewusst hatte, dass sie am Sonntag den gesamten Haushalt auf den Jahrmarkt schicken würde. Diesen Umstand hatte ich Campion bisher verschwiegen, so wie alles, was direkt auf die
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