Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
schlimmer war als der, den ich bereits begangen hatte. Also zwang ich mich, alle Wärme aus meiner Stimme und Miene zu verbannen, und entgegnete kühl: » Ich werde für Eure Genesung beten … my lady.« Etwas erlosch in Amys Augen, doch ich war sicher, das Richtige getan zu haben.
    Während ich mit einem Priester in Oxford über würdige Grabstätten verhandelte, wusste ich immer noch nicht, wie stark oder schwach ihre Schmerzen damals wirklich gewesen waren. Doch ich war mir immer sicherer, dass sie noch am Leben wäre, wenn ich sie nicht aus meinem Haus fortgeschickt hätte.

Kapitel 10
    Donnerstag, 12. September 1560
    A uf einem Schiff mit einem Haufen Stoffballen zu reisen war nicht die Art eines Edelmannes; meinen beiden Söhnen, die eines Tages selbst Herren bei Hofe sein sollen statt Verwandte von großen Herren, hätte ich es nicht gestattet. Doch es war entschieden angenehmer für mich, als es der Ritt von Windsor nach Abingdon gewesen war. Natürlich gab es mir auch ausreichend Zeit zu grübeln, wenn die Schiffer nicht gerade versuchten, noch mehr Fahrtgeld herauszuschlagen. Margery, die zu allem einen Meinung hat, einschließlich des Geruchs von Flüssen, ist der Überzeugung, dass die Themse den Gestank von London durch das Land bis zum Meer hin trägt; sie hat die Stadt noch nie geschätzt, vor allem nicht am Abend, wenn der Nebel hochsteigt, und ist glücklich in Kidderminster. An Tagen wie diesen, an denen der Dauerregen von gestern den Fluss ansteigen hatte lassen und all der Dreck und der Schlamm, den man sich vorstellen konnte, auf seiner Oberfläche trieb, verstand ich, was sie meinte. Immerhin begünstigte der gestiegene Wasserspiegel aber auch die Geschwindigkeit unserer Fahrt.
    Das Boot, auf dem ich stand, war beileibe nicht das einzige, das unterwegs war. Die Themse ist die Lebensader unseres Landes, und bis ich Kew erreichte, war ich an Windsor und Hampton Court vorbeigekommen, den beliebtesten königlichen Residenzen und Zielen der meisten Boote, die von London her kamen. Windsor mit seinem runden Turm und seinen Festungsmauern aus Sandstein erinnerte mich daran, dass Robin einmal behauptet hatte, der junge König Edward habe es ein Gefängnis genannt. Man hatte die königliche Flagge gehisst, das Wappen der Tudors, die weiße Rose im Kelch einer roten Rose, was hieß, dass sich die Königin dort befand. Ihr Vater hatte Hampton Court vorgezogen, ein Luxusschloss aus rotem Backstein voller zierlicher Erker, das man nie gegen eine Belagerung verteidigen könnte, aber um seine Herrschaft hatte Henry auch nie fürchten müssen, ganz gleich, wen er heiratete.
    Kew hat eine eigene Anlegestelle, aber das Haus, das die Königin Robin Ende des letzten Jahres schenkte, lag nicht direkt dort. Ich musste ein gehöriges Stück laufen, um es zu erreichen. Es war gut, wieder Boden unter den Füßen zu haben, der hart war; entweder hatte es hier nicht so sehr geregnet, oder der Schlamm war inzwischen getrocknet. Es war mittlerweile früher Abend, und ich erwartete nicht, dass heute noch andere Besucher außer mir ihren Weg zu diesem Anwesen fanden. Wie bei so manchen Annahmen der letzten Tage irrte ich mich.
    Die Anlegestelle war noch nicht außer Sichtweite, da hörte ich einen Bootsführer rufen, dass er Platz bräuchte, und drehte mich um. Ein kleines Boot steuerte auf das Ufer zu, kein Frachtboot, nein, ein Boot von der Art, wie man sie in London ständig benutzte, um von einem Ufer zum anderen überzusetzen, von einer königlichen Residenz zur nächsten zu kommen. Einen Herzschlag lang erstarrte ich und glaubte, die Königin habe tatsächlich alle Regeln der Vernunft zur Seite geschlagen und sei hierhergekommen, um Robin zu besuchen, aber dann erkannte ich, dass die kleine Gruppe auf dem Boot ausschließlich aus Männern bestand. Denjenigen, der als Erster an Land ging, erkannte ich, als ich die Augen zusammenkniff. Ich kannte ihn noch aus der Zeit, als er erst Edward Seymours und dann John Dudleys rechte Hand gewesen war. Bei der unauffälligen, bescheiden gekleideten Gestalt, die sich mir näherte, handelte es sich ganz fraglos um den derzeit mächtigsten Mann im Königreich, den wichtigsten Ratgeber der Königin: William Cecil.
    Von allen Menschen war er der letzte, den ich in Kew erwartet hätte. Nun, ein Besuch von Philipp von Spanien wäre mir noch unwahrscheinlicher erschienen, aber gleich nach ihm kam Cecil, den Robin erst vor kurzem als seinen schlimmsten Feind bezeichnet hatte. Ein Mann,

Weitere Kostenlose Bücher